Ein Blick in die Röhre

Datum: Dienstag, 26. Januar 2021 14:41

Wie die Digitalisierung der Bildung gelingen kann

Unser ausführlicher Rückblick auf das zurückliegende Jahr und die Umsetzung des Digitalpakts, aber auch auf die schönen Beispiele, wie Fernunterricht gelingen kann, hat eines gezeigt: Deutschland muss sich mächtig anstrengen, um beim Thema digitale Bildung endlich den Anschluss zu finden. Dazu müssen jetzt ganz dringend jene Herausforderungen angegangen werden, die schon lange bestehen und die wir mehrfach aufgezeigt haben. Die Digitalisierung ist nur einer dieser Punkte. Hier muss bereits in der Ausbildung der künftigen Lehrer angesetzt werden. „Eine medienpädagogische Grundbildung aller Lehrer*innen und Erzieher*innen ist leider immer noch nicht an der Tagesordnung. Deshalb ist die umfassende Integration ins Lehramtsstudium oder das Referendariat noch ein weiter Weg, den wir alle gehen müssen, auch, weil Medien oft auf das Technische beschränkt werden, anstatt in ihrer Breite zum Thema zu werden“, sagt die Medienpädagogin Prof. Dr. Mandy Schiefner-Rohs.

Echte Digitalisierung wagen

Wichtig in der jetzigen Debatte ist es, die Digitalisierung der Schulen nicht auf die technische Ausstattung zu reduzieren. „Viel entscheidender ist doch die Frage nach den inhaltlichen Konzepten: Was setzen wir ein, wo und wie?“, mahnt Günther Fuchs, GEW-Landesvorsitzender in Brandenburg. Das Versenden von Arbeitsblättern als PDF oder deren Einstellen in eine Cloud hat noch nicht viel mit Digitalisierung zu tun. Es geht nicht darum, analoge Lerninhalte einfach ins Digitale zu übertragen. Die Digitalisierung bietet – richtig umgesetzt – so viel mehr Chancen.

Am Marie-Curie-Gymnasium in Nauen hat sich das Kollegium schon früh auf Inhalte statt Endgeräte fokussiert. In der Unterrichtspraxis geht es um mehr als das Anschauen von Lernvideos. „Das spielt die Stärke digitalen Unterrichts nicht aus“, gibt Meinecke zu bedenken. Vielmehr geht es um den sinnvollen Einsatz von Apps oder Technik. So wurde die Geometrie im Mathe-Leistungskurs mit Hilfe von VR-Brillen virtuell entdeckt. Wichtig ist, dass die Technologien die Kinder interaktiv einbeziehen, dass die Kinder selbst kreativ werden und nicht nur falsch oder richtig antippen. Die Programme, Technologien und Apps dafür gibt es. Am Leonardo Da Vinci Campus hat man die Mittel aus dem Digitalpakt nicht nur für die Anschaffung von Endgeräten für Schüler und Lehrer genutzt. So wurden Druckerplotter, 3-D-Drucker, Lasercutter, Cutterplotter, Hochleistungs-PCs, ein Tonstudio mit modernster Aufnahmetechnik und Verarbeitungssoftware wie Raum- und Video-Mikrofon, Möglichkeiten der professionellen Videoaufnahme und Verarbeitungstechnik mit zwei 4k Kameras und Videoschnitteinheit und Fotostudio angeschafft. „Damit können Filme nicht nur gedreht, sondern auch geschnitten werden. Auf unserem YouTube-Kanal sind viele der so entstandene Produkte zu sehen. Insbesondere der Medien- und Kommunikationskurs im Gymnasium profitiert erheblich. Aber auch das Kreativitätsmodul und alle Theaterangebote werden durch die neue Bühnentechnik ihre Ergebnisse erheblich verbessern“, berichtet Campus-Leiterin Dr. Irene Petrovic-Wettstädt. Im Sportprofil ist es jetzt möglich, die eigenen Bewegungsabläufe zu filmen und anschließend zu korrigieren, wie es sonst nur bei Leistungssportlern üblich ist. Schülerfirmen können sich mit dem eigenen T-Shirt-Druck befassen oder Angebote wie die erste digitale Schülerzeitung umsetzen.

Föderalismus als Bremse

Aktuell ist es so, dass sich Einzelne allein auf den Weg machen und dafür oft genug auf kostspielige, aber professionelle und gut gemachte Technologien und Technik der großen US-Konzerne zurückgreifen. Das ist per se nicht verwerflich, wirft aber zwei Fragen auf: Wie verhält es sich in diesen Fällen mit dem Datenschutz? Dürfen sensible Daten deutscher Schüler auf den Clouds US-amerikanischer Firmen gespeichert werden? Zweitens, können sich diese Technik, die den von den Ländern bereitgestellten kostenfreien Lösungen in mancher Hinsicht offenbar überlegen ist, nicht alle Schulen leisten. Bei unserer Recherche ist aufgefallen, dass es meist die privaten Schulen sind, die den finanziellen Spielraum für die kostspielige Lösung haben. Oder jene Schulen, die über einen starken Förderverein verfügen. Hier läuft Deutschland also Gefahr, dass die Schere zwischen den staatlichen, „normalen“ Schulen und jenen Schulen, die mit ihren pädagogischen Konzepten schon immer vorangegangen sind, noch weiter auseinandergeht.

Klare Konzepte statt Planlosigkeit

Des Weiteren brauchen wir mit Blick auf die kommenden Monate klare Konzepte, wie Schule unter Pandemie-Bedingungen funktionieren kann. Im Sommer haben Bundes- und Landespolitiker immer wieder gefordert, die Schulen und Kitas müssten so lange wie möglich offenbleiben. Obwohl absehbar war, dass die Infektionszahlen spätestens im Herbst wieder hoch gehen, wollten die Verantwortlichen nichts von Wechselmodellen hören. Bei den Schließungen und den Öffnungen gab und gibt es ein Hin und Her, das von Bundesland zu Bundesland variiert. So durften im Frühjahr die Grundschüler in Hoyerswerda und Weißwasser schon wieder in die Schule gehen, während Kinder aus Spremberg noch Wochen zu Hause beschult wurden. Hier war und ist eine erschreckende Planlosigkeit festzustellen.

Machen statt reden

Die Kultusministerkonferenz hat sich beim Thema Digitalisierung der Schulen bisher auch nicht mit Ruhm bekleckert. Nun wird mit der brandenburgischen Bildungsministerin an der Spitze auch noch der Bock zum Gärtner gemacht. Die Ministerin hat es verschlafen, Brandenburg bei der Digitalisierung der Bildung auf den richtigen Weg zu bringen. Nun will ihr das ausgerechnet als KMK-Präsidentin gelingen? Der Digitalpakt ist finanziell gut ausgestattet, es mangelt offenbar weniger am Geld, als vielmehr am Willen. Dass die Politik mehr Tempo vorlegen könnte, wenn sie wollte, zeigt ein Blick auf die Entwicklung des Corona-Impfstoffs oder den Bau des Tesla-Werks in Grünheide. Hier sind Projekte offenbar wichtig genug, dass sie im Vergleich zur sonst üblichen Bürokratie quasi in Lichtgeschwindigkeit realisiert werden.

Krise als Chance

Vielleicht aber ist die Krise auch eine Chance für die deutsche Bildungspolitik. Wenn es schlecht läuft, ist nach der Pandemie vor der Pandemie und der Mangel wird weiter verwaltet. Wenn es gut läuft, haben die unter Corona wie unter dem Brennglas aufgezeigten Defizite die Bildungspolitiker wachgerüttelt. Dann nutzen sie diese Krise als Chance für langfristige Veränderungen am System. Dann stellen sie das System Schule ganz neu auf – orientiert an den längst vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Gute Beispiele, wie moderne Schule aussieht, gibt es zuhauf. Lassen wir uns von ihnen inspirieren!