Der erste Lockdown und die Folgen
Was bedeutet die schleppende Umsetzung des Digitalpakts für die Zeit der Schulschließungen? Was vor einem Jahr noch undenkbar schien, passiert nun schon zum zweiten Mal: Schulen und Kindergärten schließen fast flächendeckend. Berufstätige Eltern müssen ihre Kinder über Wochen zu Hause betreuen und beschulen. Eine schnelle Rückkehr zur Normalität scheint noch nicht greifbar. Grund genug für uns zu schauen: Was haben Politik und Schulen aus dem ersten Lockdown gelernt? Was funktioniert heute besser, wo ist noch Luft nach oben? Welche Rolle spielt die Digitalisierung?
Umfragen und Studien aus dem Frühjahr zeichnen kein einheitliches Bild: Die Situation hat viele überfordert – Politik, Schulleitungen, Lehrkräfte, aber auch Eltern und Schüler. Die damals sehr kurzfristig umgesetzte Schließung hat viele vor Probleme gestellt.
Rückblickend lassen sich die größten Herausforderungen so zusammenfassen:
- Schüler brauchen den Kontakt zu den Lehrern. Entscheidend für die Beurteilung der Qualität des Fernunterrichts war der Kontakt zwischen Schülern und Lehrern. Dabei spielte weniger die Form (Telefon, Videochat, Messenger-Dienst, Mail…) eine Rolle, als vielmehr die Häufigkeit. Eine regelmäßige Rückmeldung durch die Lehrer ist für die Schüler sehr wichtig. In mehreren Studien wurde genau diese fehlende Rückmeldung beklagt.
- Die Schüler haben zu Hause weniger gelernt als in der Schule. Mehrere Befragungen kommen zu dem Ergebnis, dass die Kinder zu Hause im Schnitt nur 1 bis 3 Stunden pro Tag für Schulaufgaben aufwenden, an weiterführenden Schulen etwas mehr als an Grundschulen – aber deutlich weniger als im Präsenzunterricht. Somit konnte nur weniger Stoff vermittelt werden. Teilweise wurde sich auf das Wiederholen und Festigen beschränkt.
- Um nicht vermitteltes Wissen nachzuholen, wurden die Stundenpläne nach der Öffnung der Schulen angepasst – vermeintlich unwichtige Fächer gestrichen.
- Eltern sind keine Lehrer. Das ist im ersten Lockdown ganz deutlich geworden. Ihnen fehlen oftmals die pädagogischen und didaktischen Kompetenzen, um Kindern Schulwissen zu vermitteln, in höheren Klassen fehlt zudem häufig das fachliche Wissen. Manchen Eltern fehlen aufgrund der Doppelbelastung aus Home-Office und Home-Schooling auch einfach die Zeit und die Nerven für die angemessene Betreuung der Schulaufgaben. Gerade jüngere Kinder brauchen noch eine relativ engmaschige Unterstützung. Kleiner, positiver Nebeneffekt: Die Eltern wissen jetzt vielleicht mehr zu schätzen, was die Lehrer Tag für Tag leisten.
- Kinder brauchen Gleichaltrige. Viele Familien beklagen den fehlenden Kontakt ihrer Kinder zu Freunden. Wenn Kitas und Schulen schließen und persönliche Kontakte stark reduziert werden sollen, haben die Kinder kaum noch Möglichkeiten, sich mit ihren Freunden persönlich auszutauschen. Kinder können etwa ab dem Vorschulschulalter auf Telefonate, Videochats und später Messenger-Dienste ausweichen, für noch jüngere Kinder im Krippen- oder Kitaalter ist das keine Option. Für Familien mit mehreren Kindern bietet der Lockdown die Chance, dass Geschwister mehr Zeit miteinander verbringen, für Einzelkinder war diese Zeit besonders herausfordernd.
- Bei der Digitalisierung hinkt das deutsche Schulsystem hinterher. Der erste Lockdown hat nochmals verdeutlicht, was lange bekannt ist. Beim Thema Digitalisierung haben deutsche Bildungspolitiker einiges verschlafen. Es mangelt wie oben dargestellt oft genug an den technischen Voraussetzungen, aber auch an den passenden Konzepten und funktionsfähigen Plattformen. In Zeiten des Fernunterrichts wurde deutlich, wie wichtig digitale Werkzeuge sind.
- Die sozialen Ungleichheiten haben sich weiter verschärft. Im deutschen Bildungssystem wird schon seit Jahren eine fehlende Chancengleichheit beklagt. Studien belegen immer wieder, dass schulischer Erfolg in Deutschland sehr stark ans Elternhaus gekoppelt ist. Kinder von Eltern mit Hochschulabschluss werden mit sehr viel höherer Wahrscheinlichkeit ebenfalls studieren, als andere Gleichaltrige. Die Schulschließungen haben dieses Problem nochmals verstärkt. Denn Kinder, die zu Hause nicht ausreichend von den Eltern bei den Schulaufgaben unterstützt werden oder denen ein eigener PC-Arbeitsplatz fehlt, bauen schneller Lerndefizite auf.
Es gab natürlich Schulen und Familien, wo das Homeschooling sehr gut geklappt hat, wo es einen engen Austausch gab und wo der Unterricht dank digitaler Konzepte auch in den Kinderzimmern stattfinden konnte. Doch dies sind einzelne Leuchttürme, die über das mangelhafte Abschneiden der meisten Schulen nicht hinwegtäuschen können.
Am Leonardo Da Vinci Campus wurde bereits vor dem ersten Lockdown mit digitalen Medien gearbeitet. (Fotos: Leonardo Da Vinci Campus, Nauen)