Ein Blick in die Röhre

Datum: Dienstag, 26. Januar 2021 14:41

Lockdown 2.0: Lehren aus dem Frühjahr

Mitte Januar wurde eine Civey-Umfrage veröffentlicht, wonach nur 14 Prozent der Familien in Sachsen finden, im zweiten Lockdown läuft es besser. Wir haben mit Eltern, Schülern, Lehrern und Schulleitern gesprochen. Hier zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Punktuell gab es Verbesserungen. Viele Schulen haben den Sommer gezielt genutzt, um sich auf eine mögliche zweite Schulschließung vorzubereiten. Sie haben Plattformen, Apps oder Videokanäle für ihre Arbeit erschlossen oder deren Nutzung weiter ausgebaut, sie haben sich fortbilden lassen. Sie haben auch die Schüler auf den Umgang mit der teils neuen Technik vorbereitet. Dr. Irene Petrovic-Wettstädt Leiterin des Leonardo Da Vinci Campus im brandenburgischen Nauen: „Es läuft deutlich besser als im Frühjahr. Vom Land gibt es konkrete Vorgaben, mit denen man arbeiten kann und wir als Einrichtung sind ebenfalls besser vorbereitet. Digital sind wir heute sehr viel weiter.“

Das sagen die Eltern

Nadine Eichhorn sieht es ähnlich. Sie ist im Vorstand des Landeselternrats Sachsen und sagt: „Ja, die Schüler, Lehrer und Eltern sind dieses Mal besser vorbereitet. Wir sehen viele Beispiele, wie über den Sommer/Herbst daran gearbeitet wurde.“ Viele Schulen hätten sich Konzepte überlegt, wie sie die Aufgaben strukturiert zu den Schülern bekommen. Es wurde im Unterricht geübt, wo was zu finden ist und wie es funktioniert, es wurden auch mal Hausaufgaben darüber aufgegeben etc., so ihre Erfahrungen. Viele Lehrer hätten die Möglichkeit genutzt, sich selbst auch fortzubilden, haben sich z.B. von jüngeren Kollegen zeigen lassen, wie digitale Medien zunächst im Unterricht eingesetzt werden können, was aber auch in Zeiten häuslicher Lernzeit zu beachten ist und vielleicht sogar, wie man auch mal ein Video dreht. Nichtsdestotrotz warnt sie vor zu viel Optimismus: „Das darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir weit davon weg sind, dass man sagen könnte, dass es läuft.“

 

„Wir sehen weiterhin ganz große Probleme in der technischen Ausstattung von Schülern und Lehrern, wir haben Probleme hinsichtlich der Internetverfügbarkeit u.a. im ländlichen Raum, wir haben Schüler, die mit diesem Lernen überhaupt nicht klarkommen, Eltern, die nicht wissen, wie sie alles schaffen sollen und Lehrer, die überfordert sind.“

Nadine Eichhorn, Vorstand Landeselternrat Sachsen

Ihr ist wohl bewusst, dass man die so lange verschlafene Digitalisierung nicht in neun Monaten nachholen kann. Dennoch hätte sie sich gewünscht, dass im Sommer mehr passiert wäre. So aber gibt es noch immer Schüler ohne Laptops. „Dies ist ein Grund für die wachsende Ungerechtigkeit im Bereich Bildung“, warnt Eichhorn und ergänzt zugleich: „Aber natürlich hilft die beste Technik nicht, wenn damit nicht umgegangen werden kann durch die Benutzer gleich welchen Alters. Und das ist für uns der Punkt, wo die meiste Luft nach oben ist. Digitalisierung ist kein Allheilmittel, sondern ein Hilfsmittel, um effizienter und mit mehr Spaß und Abwechslung zu lernen, um die Heranwachsenden heranzuführen an ihr weiteres Leben, in welchem Technik in allen Lebensbereichen Einzug gehalten hat.“

Vielleicht aber, so der Wunsch des Landeselternrates, könne man aus der Not eine Tugend machen: „Natürlich sind in der derzeitigen Situation alle äußerst genervt und bei vielen ist die Zündschnur sehr kurz, doch bietet sich derzeit auch die Chance, zu zeigen, welche Vorteile es bringt, wenn Unterricht mit digitalen Medien gestaltet wird, wenn alle Beteiligten sich mit der Technik auskennen und vor allem aber auch alle wissen, wie sie mit der Masse an Informationen, die sie über das Internet erhalten, umgehen müssen und wie diese zu bewerten sind.“

„Die Hauptprobleme sehen wir aktuell im Grundschulbereich. Hier haben wir derzeit fast alle Kinder zu Hause und die Eltern werden wieder zu Lehrkräften – oft parallel zum eigenen Home-Office. Das ist für viele Familien eine große Belastung.“

Jan Alexy, Vorstand Landeselternrat Brandenburg

Auch ihr Brandenburger Kollege Jan Alexy vom Landeselternrat sieht in der stärkeren Digitalisierung der Schulen Vorzüge: „Die Nutzung digitaler Medien hätte viele Vorteile für die Schüler. Das beginnt bei der digitalen Medienerziehung der Kinder, könnte zu einer höheren Motivation führen und die individuelle Förderung nach dem persönlichen Lernstand ermöglichen.“ Außerdem ließe sich so in Phasen von Quarantäne oder längerer Krankheit der Unterricht absichern.

Bis zum flächendeckenden Einsatz digitaler Elemente im Unterricht müssten allerdings noch einige Hürden genommen werden. An vielen Schulen fehlt noch immer die technische Ausstattung, hier hat der Landeselternrat eine klare Forderung an die Landesregierung: „Der Digitalpakt muss reibungslos und unbürokratisch umgesetzt werden.“ Das aktuelle Antragsprozedere sei viel zu langwierig. Jene Schulen, die andere Plattformen als die vom Land bereit gestellte Schulcloud nutzen, müssten von der Regierung ebenfalls entsprechend unterstützt werden. Gerade beim Datenschutz gebe es noch offene Fragen.
Für die aktuelle Situation fordert der Landeselternrat, für die Klassen 1 bis 4 so bald wie möglich Präsenzunterricht zu ermöglichen. Ab Klasse 5 sollten digitale Konzepte ausgebaut und genutzt werden, um wenigstens das Wechselmodell zu ermöglichen.

Der Bundeselternrat hätte sich ebenfalls mehr Engagement während des Sommers gewünscht. Lehrer hätten konsequent auf den möglichen erneuten Online-Unterricht vorbereitet werden müssen. Für viele Eltern ist die Doppelbelastung Homeoffice/ Homeschooling weiter die große Herausforderung. In vielen Familien kämen finanzielle Engpässe hinzu durch Kurzarbeit oder Lohneinbußen durch Quarantäne. „In der Folge entwickeln sich Existenzängste bei den Eltern, die bei einer rückläufigen Wirtschaft in der Folge von Arbeitslosigkeit bedroht sind.“

Der Bundeselternrat fordert daher konkrete Vorgaben, wie der Unterricht auch in Pandemie-Zeiten abgesichert werden kann.

Die Forderungen des Bundeselternrats:

  • Nutzung freier Sporthallen, Tagungsräume von Hotels oder Gemeinde-Zentren für Schulklassen, um den Kontakt mit anderen Klassen einzuschränken.
  • Die Zahl der Schulbusse sollte erhöht werden, um Überfüllung zu vermeiden.
  • Die Schulzeiten könnten variiert und gestreckt werden, um die Anzahl der Schüler in den Schulen zu entzerren.
  • Schriftliche Prüfungen sind verstärkt durch mündliche zu ersetzen und den Schülern mehr Wahlmöglichkeiten bei Prüfungsthemen zu geben, damit aus dem versäumten Unterricht keine Nachteile entstehen. Evt. sollte das Verschieben der Prüfungstermine in Betracht gezogen werden.
  • Bundesweit konkrete Inzidenzzahlen festlegen, bei denen Präsenz-, Wechsel- oder Fernunterricht stattfinden muss, damit sich Länder und Regionen besser orientieren können.
  • Die Forcierung des Netzausbaus und Ausstattung aller Schulen mit digitalen Endgeräten, denn das ist in Zeiten von Schulschließungen die einzige Möglichkeit, die SchülerInnen zu unterrichten.

 


Mit Laptops für die Schüler, Yogaübungen via Bildschirm und Video-Meetings gehört die Senftenberger Schlausitz-Grundschule Georg Heinisus von Mayenburg zu den digitalen Leuchttürmen in der Lausitz.