Das sagen die Schüler
Die Schüler selbst sind ebenfalls wenig glücklich mit der Situation. „Das Homeschooling ist weiter anstrengend und keine einfache Aufgabe“, sagt Joanna Kesicka, Vorsitzende des sächsischen Landesschülerrats. Im Vergleich zum Frühjahr gebe es durchaus einige Verbesserungen. So sei die Lernplattform Lernsax mit weiteren Funktionen ausgestattet worden. Es gab erste Online-Fortbildungen für Lehrer. Doch die verbliebenen Baustellen sind ungleich größer, so Kesicka: „In der Krise ist ganz deutlich geworden, dass Sachsen in der Digitalisierung vieles verschlafen hat.“ Noch immer gebe es Schüler ohne Endgeräte oder Schüler, die in Gebieten mit nicht ausreichendem WLAN leben. „Die vom Land bereitgestellte Plattform Lernsax funktioniert immer noch nicht. Und das ist am Ende Unterrichtsausfall. Die Regierung muss jetzt die Voraussetzungen schaffen, damit Homeschooling tatsächlich funktioniert.“ Mit Blick auf den Digitalpakt mahnt sie an, dass man allein mit der technischen Ausstattung noch keinen modernen Klassenraum schafft. Die nächsten erforderlichen Schritte seien Fortbildungen für Lehrer und Medienpädagogik für Schüler.
„Lehrer und Schüler müssen wissen, wie sie die Technik optimal in den Unterricht integrieren können. Denn das ist die Zukunft der modernen Schule. Diesen Weg müssen Schulen, Eltern und Politik gemeinsam gehen.“
Joanna Kesicka, Vorsitzende Landesschülerrat Sachsen
Die Bundesschülerkonferenz sieht die weiter andauernden Schulschließungen mit Sorge, gerade in Hinblick auf drohende psychische Folgen für Kinder und Jugendliche sowie zur Vorbeugung häuslicher Gewalt: „Die aktuelle Situation birgt viele Gefahren für die Schülerinnen und Schüler. Wir dürfen gerade jetzt niemanden vergessen. Das Kindeswohl darf nicht mit in den Lockdown gehen!”, fordert Dario Schramm, Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz.
Bereits Mitte Dezember forderte die Bundesschülerkonferenz daher eine Öffnung der Schulen nach den Weihnachtsferien – auch bei nicht sinkenden Infektionszahlen. Über ein Wechselmodell solle man zumindest die jüngeren Schüler bis Klasse 6 und die Abschlussklassen wieder zeitweise an der Schule unterrichten. Doch weder Land noch Bund haben die vergangenen Wochen – ja nicht einmal die Zeit seit dem Frühjahr – genutzt, um ein effektives und vor allem funktionstüchtiges Wechselmodell zu konzipieren.
Dass man die Schulen und Kitas durchaus trotz des aktuellen Pandemie-Geschehens offen lassen könnte und sollte, zeigen nicht nur die Erfahrungen aus dem Frühjahr. Mehrere Studien belegen die fatalen Folgen für zumindest einen Teil der Kinder. Das zeigt auch ein Blick ins Ausland. Andere europäische Staaten haben sehr viel strengere Lockdown-Regeln als wir bisher in Deutschland (Stand 18.1.). Zugleich aber hat man sich dort ganz bewusst dafür entschieden, Kitas und Schulen weiter zu öffnen. So sind private Besuche in Irland komplett untersagt, Parks und Spielplätze geschlossen, die Schulen aber bleiben geöffnet. Portugal verzeichnet eine der höchsten Inzidenzen in Europa, fast alle Intensivbetten für Corona-Patienten im Land sind belegt. Daher wurde Mitte Januar erneut ein harter Lockdown mit strenger Ausgangssperre verhängt, die Schulen aber bleiben geöffnet. Frankreich lässt die Schulen ebenfalls offen – wie auch schon im Frühjahr. Damals wurden nur die höheren Jahrgänge in den Wechselunterricht geschickt. In den Schulen wird auf die Einhaltung von Hygiene- und Abstandregeln geachtet und eine strikte Trennung von Klassen. Natürlich weiß man, dass es auch an Schulen zu Infektionen kommen kann. Viel wichtiger aber scheint in diesen Ländern die Erkenntnis, dass wochenlanges Homeschooling für einige Kinder fatale Folgen hat.
Das sagen die Lehrer
Die Lehrer stehen in der ganzen Debatte zwischen den Stühlen: Einerseits möchten sie ihre Schüler schnellstmöglich wieder in den Schulen unterrichten können, andererseits wollen sie sich nur ungern einem erhöhten Ansteckungsrisiko aussetzen. Da sich die Altersstruktur in der Lausitz auch in der Lehrerschaft widerspiegelt, zählen viele Lehrkräfte zu Risikogruppen. „Jeder Tag, an dem die Kinder nicht in Kita oder Schule gehen können, ist kein guter Tag. Aber wir müssen das Recht auf Gesundheit und das Recht auf Bildung vereinbaren können“, fordert daher Günther Fuchs, Landesvorsitzender der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft GEW Brandenburg. Wünschenswert sei bei der Wiederöffnung der Schulen eine begleitende Test-Strategie.
Zudem brauche es klare, landesweite Vorgaben für eine mögliche Öffnung: Bei welchen Zahlen können die Schulen öffnen, wann ist ein Wechselmodell möglich, wie kann das umgesetzt werden? Das Land hätte die Zeit nach dem ersten Lockdown für die Beantwortung dieser Fragen nutzen müssen. „Ich habe den Eindruck, in der Landesregierung herrschte lange das Prinzip Hoffnung, getreu dem Motto, das wird uns schon nicht treffen.“
Viele der Probleme, vor denen Schulen jetzt stünden, seien nicht neu, sie werden nur durch Corona verschärft: Personalnot, volle Klassen, mangelhafte Hygiene-Standards, unzureichende technische Ausstattung, fehlende Chancengleichheit. Daher sagt der GEW-Vorsitzende: „Kurzfristig brauchen wir vernünftige Lösungen, die Kinder, Eltern und Lehrer mittragen können. Perspektivisch müssen wir strukturelle Veränderungen in Angriff nehmen, um das System Schule zu verbessern. Wir müssen Schulen und Kitas besser ausstatten, um mehr Chancengleichheit gewährleisten zu können.“
Da vermutlich noch länger mit Einschränkungen im Schulbetrieb zu rechnen sei, müsse es jetzt darum gehen, wo nötig den Lehrplan zu straffen. „Hier braucht es Vorgaben von der Landesregierung. Das können die Schulen nicht selbst verantworten, das ist eine bildungspolitische Entscheidung.“ Zudem wünscht sich Günther Fuchs, dass in der aktuellen Diskussion um eine Wiederöffnung nicht nur die Abschlusslehrgänge bedacht werden: „Wir brauchen ebenso schnell Lösungen für die Jahrgangsstufen 1 bis 3 und 7 bis 8, da dort basale Kompetenzen vermittelt werden.“
„Bezogen auf die technische Ausstattung der Schulen kommt die Pandemie zehn Jahre zu früh. Wenn an der Schule kein Breitband anliegt, dann nützt auch die Cloud-Lösung nichts. Da ist in den vergangenen Jahren viel verschlafen worden.“
Günther Fuchs, Landesvorsitzender der GEW Brandenburg
In Sachsen stehen die Lehrer derzeit vor der zusätzlichen Herausforderung, dass die vom Land bereitgestellte Plattform Lernsax nur mangelhaft funktioniert. Daher gehört zu den wichtigsten Forderungen der GEW Sachsen, dass die Plattform endlich stabil läuft. „Im Zweifel muss das über einen Anbieterwechsel sichergestellt werden“, sagt Gewerkschaftsvertreter und Lehrer Michael Hoyer. Zu den weiteren Forderungen der GEW gehört ein breitflächiges Fortbildungsangebot für den Umgang mit den vom Land bereit gestellten Plattformen Schullogin und LernSax. Hier sieht Michael Hoyer große Versäumnisse: „Noch immer sind viele Kollegen mit diesen Systemen überfordert. Es gab seit dem Frühjahr zu wenig Schulungsangebote, hier sind wir als GEW eingesprungen. Das Thema wird jetzt langsam von der Landesregierung in Angriff genommen, aber noch viel zu sporadisch.“ Immerhin seien im Vergleich zum ersten Lockdown nun fast alle Schulen mit einem Zugang ausgestattet und Eltern und Schüler würden die grundlegenden Funktionen von LernSax beherrschen. Nichtsdestotrotz könne digitaler Fernunterricht nur dort stattfinden, wo die technischen Voraussetzungen gegeben sind und da gebe es noch immer viele Lücken im Freistaat, beklagt Hoyer die schleppende Umsetzung des Digitalpakts.
Der Deutsche Lehrerverband hat sich zuletzt klar gegen erneute Schulschließungen ausgesprochen. Stattdessen fordert er einen bundesweit einheitlich Hygienestufenplan, der in Abhängigkeit vom regionalen Infektionsgeschehen klare Vorgaben beispielsweise zur Maskenpflicht und zum Wechselunterricht macht. Dazu aber müssten die digitalen Lernplattformen der Länder ausgebaut werden, allen Schülern ein niedrigschwelliger Internetzugang ermöglicht werden und es brauche mehr Personal.