Interview mit dem Hundeprofi Martin Rütter
Martin Rütter ist durch das TV Deutschlands bekannteste Instanz für die Hundeerziehung. Im Oktober kommt er mit seinem neuen Live-Programm nach Cottbus – Grund genug für ein Gespräch mit dem Familienvater von vier Kindern über Familie und darüber, wie er auf den Hund gekommen ist:
Sie sind Vater von vier Kindern, wie viele Hunde leben eigentlich im Hause Rütter?
Aktuell keiner. Unsere Mina, die mir über 16 Jahre zur Seite stand, ist leider im letzten Jahr verstorben. Mina war der Auslöser für meinen heutigen Beruf. Noch befinden wir uns innerhalb der Familie im Trauerprozess, aber sobald dieser abgeschlossen ist, wird es bei uns natürlich wieder einen Hund geben. Denn ein Leben ohne Hund wäre für mich unvorstellbar.
Wussten Sie eigentlich, dass es in Deutschland 5,3 Millionen Hunde – und demnach auch Hundebesitzer gibt?
Ja. Und die Zahl der Menschen, die einen Hund im Haushalt haben, ist noch wesentlich höher: rund 10 Millionen.
Haben Sie als Kind schon Hunde gemocht – oder wie kam es zu dieser besonderen Beziehung?
Ich hatte schon immer einen engen Draht zu Hunden, obwohl ich als Kind keinen eigenen haben durfte, da meine Eltern auch heute noch jedes Tier für sinnlos halten, das man nicht auf den Grill legen und essen kann. Ich habe aber beispielsweise in meiner Jugend die Hunde der Nachbarn ausgeführt und die Hunde meiner Tante ohnmächtig gekrault. Tante Thea besaß in den 80er Jahren so eine Art Pflegestelle für gestrauchelte Vierbeiner – und nicht nur das, sie besaß auch die phänomenale Gabe, Hunde, die anfangs ganz wunderbar waren, binnen weniger Wochen völlig wahnsinnig zu machen. Ein Schlüssel-Erlebnis, ich wollte unbedingt wissen, warum so viele Menschen um mich herum Probleme mit ihren Hunden haben. Ich habe dann begonnen, Unmengen an Literatur zu verschlingen.
Wie sieht das in Ihrer Familie aus, konnten Sie Ihren Kindern die Hundeliebe vererben?
Bei Kindern wechseln die Interessen ja häufig sehr schnell. Was gestern angesagt war, ist morgen schon wieder out. Aber natürlich hatten meine Kinder eine sehr innige Beziehung zu Mina, sie war ein fester Bestandteil der Familie. Ich glaube, dass die größte Fähigkeit beim Thema Hund die Beobachtungsgabe ist. Zwei meiner Kinder haben die auf jeden Fall, aber nur eines hat auch so einen engen Draht zu Tieren.
Wie sehr nutzen Ihnen die Kenntnisse der Hundepsyche bei der Erziehung Ihrer Kinder, gibt es hier eigentlich Parallelen?
Prinzipiell lassen sich viele Aspekte der Kinder- mit der Hundeerziehung vergleichen. Konsequenz beispielsweise spielt in beiden Bereichen eine sehr wichtige Rolle. Es wäre jedoch leichtfertig, sämtliche Merkmale der Erziehung eines Menschen eins zu eins auf die Hundeerziehung und umgekehrt zu übertragen. Der gravierendste Unterschied ist, dass man bei Kindern durch den Erziehungsprozess eine Selbständigkeit erreichen möchte. Dieses Ziel gibt es bei Hunden nicht, dort muss eine Abhängigkeit zum Halter bestehen bleiben, damit der Hund sich nicht abnabelt und auf sich alleine gestellt ist.
Sie haben einmal vor dem Deutschen Kinderschutzbund zum Thema Kind und Hund referiert – was ist denn da bei Kindern anders als bei Erwachsenen?
Zunächst einmal denke ich, dass es nichts Schöneres für ein Kind gibt, als mit einem Hund aufzuwachsen. Ein Kind lernt dadurch, ein empathisches Bewusstsein für andere Lebewesen zu entwickeln. Gleichzeitig müssen gewisse Spielregeln eingehalten werden. Es müssen für das Kind und den Hund Rückzugsmöglichkeiten existieren, Tabu-Orte bzw. Situationen, in denen der jeweils andere nichts zu suchen hat. Und beim Zusammenleben von Kind und Hund ist sehr wichtig, dass der Erzieher konsequent ist. Aus diesem Grund muss stets ein Erwachsener in der Nähe sein, um gegebenenfalls reagieren zu können. Daher kann ein Hund auch niemals allein für ein Kind angeschafft werden. Die Eltern haben immer die volle Verantwortung und sind für die Erziehung des Hundes zuständig. Jedoch können die Kinder in die Erziehung mit eingebunden werden, indem sie kleinere Aufgaben gemeinsam mit den Eltern übernehmen.
Gibt es tatsächlich familiengeeignete Hunde – oder ist alles eine Sache der Erziehung?
Den Familienhund oder den Anfängerhund gibt es nicht, denn selbst innerhalb eines Wurfes können unterschiedliche Charaktereigenschaften auftreten. Generell eignen sich aber für Familien eher Hunde, die nicht sehr sensibel sind. Feinfühlige Hunde können nämlich gerade bei Familien mit Kindern zu einem Problem werden, denn Kinder sind im Umgang mit Hunden nicht gerade vorsichtig und zimperlich.
Ihre Erfolgsgeschichte begann mit Ihrem eigenen Erziehungskonzept D.O.G.S. für Hunde im Jahr 1995 – was war daran so neu?
Gerade während meiner Anfangszeit habe ich sehr viele schlimme Sachen gesehen, wo Hunde mit Drill und Drangsalierung gefügig gemacht, aber mitnichten artgerecht erzogen wurden. Das ging für mich von Anfang an gar nicht. Mit D.O.G.S. (Dog Orientated Guiding System) habe ich eine Trainingsphilosophie entwickelt, die sich an den individuellen, natürlichen Bedürfnissen des Hundes orientiert – und zwar in leiser, gewaltfreier und harmonischer Manier. Brüllerei und Stachelhalsband sind bei uns kein Thema. D.O.G.S. ist ein System, das kein System ist! Der Schwerpunkt von D.O.G.S. liegt darin, den Hund einschätzen zu können, um dann ein für den Menschen und seinen Hund ganz individuell zugeschnittenes Trainingskonzept zu entwerfen. Daher kann es auch passieren, dass ein Mensch-Hund-Team einen Trainingsweg nahe gelegt bekommt, von dem einem anderen Team vielleicht abgeraten werden würde.