Ein Ratgeber zu kindlicher Sexualität.
Kindliche Sexualität ist für viele Eltern ein recht sperriges Thema, über das ungern nachgedacht und meist noch viel weniger gerdet wird. Dabei ist die sexuelle Entwicklung ein ganz wichtiger Teil der Persönlichkeitsentwicklung und beginnt schon im Bauch der werdenden Mama. Hier sollten Eltern vom immer noch wirkenden Bild Abstand nehmen, das Kinder unbelastet von sexuellen Gefühlen, Gedanken oder gar Handlungen aufwachsen können. Viele Eltern reagieren verunsichert, wenn sie bei ihren Kindern oder auch bei anderen Kindern einen sexuellen Kontext beobachten – und tun sich schwer damit, solche Situationen richtig einzuschätzen und einzuordnen. Meist greift dann ein Schutzmechanismus, der sich in pauschalen Verboten und Mahnungen äußert. Dieses Verhalten ist meist mit der eigenen Familie begründbar, da es nur in Ausnahmefällen eine Selbstverständlichkeit ist, über kindliche Sexualität zu sprechen. Mit diesem Titelthema wollen wir einen Überblick geben, was Erziehungsexperten für eine gesunde Entwicklung unserer Kinder hinsichtlich kindlicher Sexualität anraten – lassen dabei aber auch praktische Erfahrungen von Eltern nicht unberücksichtigt. Einige der Ratschläge der Experten – was ganz normal für Kinder ist – werden viele Eltern sicher überraschen.
Gesellschaftlich gesehen begegnet uns Sexualität in vielen alltäglichen Situationen und ist in den Medien ein Dauerthema. Das trifft aber nur auf erwachsene Sexualität zu, über die kindliche herrscht viel Unklarheit. Sie scheint ein Tabuthema zu sein. Kinder und Sexualität, das passt in der Vorstellung der meisten Erwachsenen nicht zusammen, da der Begriff Sexualität meist mit Sex assoziiiert wird. Dabei greift Sexualität viel weiter – und bezeichnet im erweiterten Sinn alle Verhaltensweisen, Empfindungen und Interaktionen von Lebewesen in Bezug auf ihr Geschlecht. Dazu zählt also schon, wenn dreijährige Mädchen und Jungen in der Kita untereinander geschlechtliche Unterschiede wahrnehmen.
Kindliche Sexualität hat nichts mit der von Erwachsenen zu tun, die sich oft auf genitale Reize konzentriert. Babys und Kleinkinder erfahren Lust und körperliche Gefühle auch unvoreingenommen, es wirkt noch kein Bewusstsein für Tabus. Sie können noch nicht zwischen Zärtlichkeit, Schmusen oder genitaler Sexualität unterscheiden. Genauso fremd sind ihnen gesellschaftliche Normen und Schamgefühl. Für ein Kind bedeutet Sexualität, schöne Gefühle zu erfahren – und nicht, Zuneigung zu einem anderen Menschen auszudrücken. Die Entwicklung des eigenen Körpers und damit auch der Sexualität gehört genauso zur Entwicklung des Kindes wie Laufen zu lernen. Hier fangen die Probleme beim Umgang damit aber an, da Eltern Sexualität oft noch mit Unanständigkeit und dem Verlust der Unschuld gleichsetzen. Dabei werden durch Eltern meist nur die vermeintlich negativen Assoziationen herangezogen und nicht das lebensbejahende Gefühl und die Bedeutung für die eigene Identität, die durch Sexualität geprägt ist. Vor allem die gedankliche Gleichsetzung von Sex und Sexualität löst bei Erwachsenen in Bezug auf Kinder Ängste aus. Es fehlt einfach an Wissen, in welchen Entwicklungsphasen des Kindes welches Verhalten normal sein darf und wo Grenzen zu setzen sind – und wie man das vermitteln soll. Deshalb betrachten wir zuerst die Entwicklungsphasen eines Kindes in Bezug auf seine Sexualität.
Phasen der Entwicklung
Sexualität durchzieht das ganze Leben und äußert sich je nach Alter und Entwicklungsphase unterschiedlich. Das ist auch der Schlüssel, sie nicht als bedrohlich oder verwerflich anzusehen, sondern sie in die jeweilige Phase der Entwicklung einsortieren und damit umgehen zu können.
Bereits im Bauch der werdenden Mutter führen gleichmäßige Bewegungen oder ein Wippen zu einem Wohlbefinden des heranwachsenden Kindes, das bereits mit ersten Erfahrungen seiner eigenen Sexualität einhergeht.
Säuglinge erfahren körperliches Wohlbefinden vor allem dann, wenn ihre Haut als größtes Sinnesorgan gestreichelt wird und sie die Berührungen empfinden. Dadurch fühlt sich das Neugeborene angenommen und geliebt und erfährt so gleichzeitig, dass sein Körper etwas Liebenswertes ist. Zusätzlich ist der Mund eine der ersten erogenen Zonen und beim Stillen und Lutschen oder Saugen am Finger macht das Baby seine ersten körperlichen Lusterfahrungen. Dabei kann es schon in den ersten Lebensmonaten bei Jungen zu Erektionen kommen und bei Mädchen zu feuchten Scheiden. Das muss Eltern nicht beunruhigen, sondern ist Ausdruck für das Wohlbefinden des Kindes. Sobald ein Baby gelernt hat zu fühlen und zu greifen, wird nicht nur alles in der nächsten Umgebung angefasst, sondern auch der eigene Körper. Es merkt sich, dass die Berührung der Genitalien bei der Köperpflege angenehm ist und berührt sich auch selbst dort. Dies gehört zur sexuellen Entwicklung des Kindes dazu und Eltern sollten das nicht unterbinden.
Zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr kann das Kind Zusammenhänge herstellen. Mit dem Erlernen der Sprache wird auch die Sexualität vom Entdeckungsdrang beeinflusst. Der Forscherdrang für den eigenen Körper gewinnt an Fahrt, denn Kleinkinder erkennen jetzt bewusst geschlechtliche Unterschiede zwischen sich und anderen Mädchen oder Jungen sowie Männern und Frauen. Sie stellen Fragen nach dem Namen der Geschlechtsteile und wollen wissen, woher die Babys kommen. Die erste Aufklärung des Kindes beginnt in diesem Alter. Auch Selbstbefriedigung ist im Kleinkindalter keine Seltenheit, denn Kinder untersuchen die eigenen Geschlechtsorgane und finden heraus, dass diese stimuliert werden können. Dabei können Kinder durchaus schon eine Form des Orgasmus erleben, ohne dass es etwas mit dem erwachsenen Ziel der sexuellen Ekstase zu tun hat. Sie stimulieren ihre Geschlechtsteile einfach solange, bis sie zufrieden sind. Ein erstes Objekt, das dazu oftmals genutzt wird, ist die Kuscheldecke an der sich Kinder reiben. Auch wenn das Eltern befremden mag, sollte man diese Erfahrung nicht unterbinden und verbieten. Es ist weder schmutzig noch eklig, wenn Kinder auf diese Weise ihren Körper entdecken. Andererseits ist auch vollkommen normal, wenn Kinder sich für eine solche Erfahrung überhaupt nicht interessieren.
Für andere Geschlechter beginnen sich Kinder etwa ab dem dritten Lebensjahr zu interessieren, diese Phase währt etwa bis zum Schulbeginn. Einerseits untersuchen sie das andere Geschlecht und stellen Fragen, auf der anderen Seite vergleichen sie auch gleichgeschlechtliche Kinder mit sich selbst, um Gemeinsamkeiten festzustellen. Sogenannte Doktorspiele sind dabei ein generationenübergreifendes Mittel unter Kindern, ihren Drang nach Erkenntnissen zu erfüllen. Einfach gesagt, sie ziehen sich nackt aus und untersuchen sich von Kopf bis Fuß und auch im Genital- und Analbereich. Erziehungsexperten beschreiben das als eine ganz normal Entwicklung und Erfahrung. Allerdings ist es wichtig, dass es für solche Doktorspiele klare Regeln gibt:
sie müssen immer freiwillig sein
sobald ein Kind sich unwohl fühlt, sollte es das klar formulieren können und das Spiel beenden
sie sollten nur zwischen gleichaltrigen und gleich entwickelten Kindern stattfinden
die Kinder müssen die Grenzen kennen und wissen, dass die Genitalien nicht verletzt werden dürfen und z.B. keine Gegenstände eingeführt werden dürfen
Da Kinder in diesem Alter durchaus wissen können, dass das nicht von allen gesehen werden soll, suchen sie sich oft Rückzugspunkte, in denen sie ungestört und unbeobachtet von Eltern oder Erziehern sind. Doktorspiele spiegeln die kindliche Neugier wieder und sind noch nicht mit sexuellem Begehren zu verwechseln. Sie werden genutzt, um das andere Geschlecht zu erkunden und sich abzusichern, dass andere genauso sind wie man selbst. Schöne Gefühle, die dabei entstehen können, stärken das eigene Körpergefühl des Kindes und seine Sinneswahrnehmung. Daher sollten die Spiele unter Einhaltung klarer Regeln auch nicht tabuisiert oder verboten werden. Sind die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zum eigenen und anderen Geschlecht einmal klar, ebben sie von selbst wieder ab. Es ist wie bei vielem im Leben, wird etwas verboten, wird es umso interessanter. Eltern sollten ihren Nachwuchs allerdings darüber aufklären, dass spitze Gegenstände bei „Untersuchungen“ gefährlich sind. Kinder proben in dem Alter auch ihre künftige Geschlechterrolle. Mädchen schwärmen für ihren Vater und finden sich oft umringt von Puppen und familiären Rollenspielen wieder, während Jungs ihren Müttern Heiratsanträge machen, wild sind und sich mit anderen messen wollen. Viele Eltern wird die Vorstellung der Doktorspiele irritieren. Da Kinder in dieser Altersstufe aber meist in der Kita mit anderen Kindern zusammenkommen, und Eltern hier keinen Einblick haben, erfahren sie in der Regel auch nichts von dieser Entwicklung. Für Kinder sind diese Erfahrungen ein normales spielerischen Verhalten und sie berichten zu Hause nicht darüber, Erzieherinnen tun sich gemeinhin schwer, mit Eltern über kindliche Sexualität zu sprechen. Fürsorgliche Eltern sollten aber das Gespräch mit ihrer Kita suchen und fragen, wie dort mit kindlicher Sexualität umgegangen wird. Ob es klare Regeln gibt und wie die Kinder beaufsichtigt werden. Das sich Kinder oft unbeobachtete Rückzugsorte wie die Toiletten dafür suchen, ist hier auch abzusichern, wie solche gemeinsamen „Ausflüge“ beaufsichtigt werden. Es hilft auch, mit dem Kind unvoreingenommen darüber zu reden. Hier können Eltern auch schnell Warnsignale wahrnehmen, z.B.:
wenn ein Kind solche Gespräche unangenehm findet und nicht antworten möchte
wenn ein Kind über Doktorspiele mit älteren Kindern berichtet
wenn ein Kind von deratigen Spielen berichtet, die es offensichtlich nicht versteht und für die es in der Entwicklung noch nicht weit genug ist
In diesen Fällen sollten Eltern umgehend mit den Aufsichtsberechtigten sprechen und ihr Kind schützen.
Ab der Grundschule ändert sich das Sexualverhalten noch einmal grundlegend. Die Aktivitäten werden zurückhaltender und das Schamgefühl gewinnt die Oberhand. Dazu kommt, dass sich Kinder zunehmend von ihren Eltern abgrenzen und selbstständiger werden. Sie sind in der Lage, ihre Lustbefriedigung zeitlich zu verschieben oder darauf zu verzichten. Das Küsschen beim Gute-Nacht-Sagen oder Zärtlichkeiten weisen sie nun öfter zurück. Kinder necken und provozieren sich untereinander. Obwohl sie sich anziehend und interessant finden, wird das Gegenteil oft ausgedrückt, um Abgrenzung zu symbolisieren. Schule und der Aufbau von Beziehungen zu gleichgeschlechtlichen Menschen gewinnt an Bedeutung. Vorbilder spielen eine wichtige Rolle bei der Interessenverfolgung, Sexualität wird verdrängt und Energie in den Aufbau einer Abwehr gegen den sexuellen Drang investiert.
Mit zwölf Jahren beginnt dann die vorpubertäre Phase. In dieser bekommen Kinder durch die einsetzende Hormonproduktion einen kräftigen Schub und damit die Sexualität einen neuen Aufschwung. War die Sexualität bis zur Pubertät nur auf die eigene Lustbefriedigung gerichtet, kommt nun der Aspekt der Fortpflanzung hinzu.
Sei ein Frosch ...
Datum: Dienstag, 30. September 2014 12:12
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