Einkaufsratgeber und Orientierungshilfe für Biolebensmittel
Da sind sie wieder – klein, rot, saftig, süß. Die Erdbeerzeit hat begonnen – egal ob im Eis, auf der Torte oder pur. Die kleinen roten Früchte gelten als ausgesprochen gesund: wenig Zucker, kaum Kalorien, reichlich Vitamin C. Wer keinen Garten oder Balkon mit selbst angebauten Früchten hat, steht vor der Frage: Spanische oder deutsche Erdbeeren? Bio oder konventionell? Deutsche Erdbeeren gibt es nur in der Saison, von etwa Mai bis in den August rein. Wer das ganze Jahr über von den roten Früchten naschen will, muss Einwecken, Einfrieren, Marmelade kochen oder aber auf die Erdbeeren aus Spanien zurück greifen, die ganzjährig im Supermarktregal liegen. Die meisten der nach Deutschland importierten Erdbeeren kommen aus dem Südwesten Spaniens, wo es das zweitgrößte Erdbeeranbaugebiet der Welt gibt. Wer nachhaltig kaufen möchte, wird wegen der weiten Transportwege spanische Erdbeeren nur mit schlechtem Gewissen essen. Egal ob aus Spanien oder aus Deutschland – Erdbeeren aus konventionellem Anbau enthalten deutlich mehr Pestizid-Rückstände als solche aus ökologischer Landwirtschaft. Denn dort sind chemische Pflanzenschutzmittel verboten.
Für alle in Deutschland angebauten und verkauften Bio-Lebensmittel gilt die EU-Öko-Richtlinie von 1991, die 2007 komplett überarbeitet wurde. Dort ist festgelegt, was bei der Erzeugung, Verarbeitung, Kennzeichnung und Kontrolle von Bio-Produkten einzuhalten ist. Für die ökologische Tierhaltung und Fischzucht wurden ergänzend eigene Richtlinien verabschiedet.
Die wichtigsten Regelungen:
- Gentechnik ist verboten.
- Konventionelle Zutaten sind nur erlaubt, wenn sie nicht in Öko-Qualität verfügbar sind (z.B. bestimmtes Saatgut).
- Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel.
- Haltung möglichst robuster und wenig stressanfälliger Tierrassen.
- Kranke Tiere sind vorrangig mit pflanzlichen oder homöopathischen Mitteln zu behandeln.
- Gabe von Antibiotika is stark reglementiert.
- Einsatz konventioneller Gülle unter bestimmten Bedingungen erlaubt.
- Die Begriffe „öko(logisch)“ und „bio(logisch)“ sind geschützt.
- Das Biosiegel gibt es nur, wenn mindestens 95% der landwirtschaftlichen Zutaten ökologisch erzeugt wurden.
- Jährliche, angekündigte Kontrollen von Bio-Betrieben durch private, staatlich zertifizierte Öko-Kontrollstellen.
Das sind die rechtlichen Mindeststandards für den Öko-Landbau. Für Bio-Produkte aus nicht EU-Staaten, die nach Deutschland importiert werden, gilt: Sie müssen gleichwertige Standards erfüllen, um das Biosiegel zu bekommen. Das wird durch von der EU anerkannte Kontrollstellen in den jeweiligen Ländern überprüft. Wer Produkte mit Biosiegel kauft – sei es aus Deutschland, Spanien oder Ägypten, kann sich also auf die Einhaltung dieser Standards verlassen. Da die Begriffe „Bio(logisch)“ und „Öko(logisch)“ geschützt sind, können Kunden sicher sein, dass sie hier Bioware erhalten. Nicht täuschen lassen sollten sie sich von Begriffen wie: umweltgerechter Anbau, aus kontrollierter Landwirtschaft. Diese sind verbreitet, haben aber nichts mit bio zu tun. Beim Einkauf bieten die Biosiegel Orientierung. In Deutschland gibt es zwei gängige staatliche Biosiegel: Das sechseckige, deutsche Biosiegel und das viereckige EU-Biosiegel.
Darüber hinaus hat fast jeder Supermarkt und Discounter ein eigenes Bio-Siegel entwickelt, wie BioBio oder Biotrend. Auch hier kann sich der Kunde auf die Einhaltung der EU-Mindeststandards verlassen. Das gleiche gilt für die Label der Bioläden, z.B. Alnatura. Jedes Bioprodukt ist nicht nur mit einem Biosiegel gekennzeichnet, sondern ergänzend durch den Code DE-Öko-0xx. DE steht für Deutschland, Öko für ökologische Landwirtschaft und die zweistellige Zahl für eine der in Deutschland zugelassenen Öko-Kontrollstellen.
Wer Bioprodukte nicht beim Discounter, sondern im Naturkostladen kauft, wird meist andere Biosiegel auf den Produkten finden – die der Bio-Anbauverbände in Deutschland, vereint unter dem Dach des Bundes Ökologischer Lebensmittelwirtschaft (BÖLW): Biokreis, Bioland, Biopark, Bundesverband Naturkost Naturwaren, Demeter, Ecoland, Gäa, Naturland, Verbund Ökohöfe.
Die Anbauverbände betreiben Landwirtschaft nach strengeren Vorgaben als die EU-Mindeststandards, sie liefern sozusagen „Premiumbio“. So werden beispielsweise die Tiere artgerechter gehalten, bei der Lebensmittelherstellung sind deutlich weniger Zusatzstoffe erlaubt und für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gelten strengere Vorgaben. Eine Garantie, dass Produkte von Bio-Anbauverbänden völlig rückstandsfrei sind, gibt es dennoch nicht. So kann bereits ein benachbartes Feld aus konventioneller Landwirtschaft Pestizide oder gentechnisch veränderte Substanzen auf das Biofeld übertragen. Solange ökologische und konventionelle Landwirtschaft nebeneinander, teils sogar auf einem Bauernhof, existieren, wird sich das auch kaum vermeiden lassen. Wer aber mit dem Kauf von Bioprodukten etwas für seine Gesundheit für die Umwelt und für die Tiere tun will, der sollte vielleicht doch lieber auf die etwas teureren Bio-Produkte der Anbauverbände zurückgreifen.
In Deutschland ist gut die Hälfte aller Ökobauernhöfe Mitglied in einem der Verbände und geht damit über die Mindeststandards hinaus. Auch innerhalb der Verbände gibt es nochmal Unterschiede. So hat der Anbauverband Demeter, der bereits 1925 gegründet wurde und damit als Pionier in Sachen Bio gilt, besonders strenge Richtlinien. Demeter-Betriebe wirtschaften im Einklang mit der Natur und streben eine möglichst geschlossene Kreislaufwirtschaft an, bei der wenig Futter oder Saatgut von außen zugekauft werden muss. Sie setzen auf biodynamische Bewirtschaftung. Tiere werden möglichst in kleinen Herden gehalten und dürfen nicht enthornt werden, was in Biobetrieben sonst durchaus üblich ist, um zu verhindern, dass sich die Tiere gegenseitig verletzten. Im Sommer bekommen die Tiere mindestens 50 Prozent Grünfutter (statt Silage). Der auch unter Biobauern umstrittene Einsatz von Kuper als Pflanzenschutzmittel ist für Tomaten und Kartoffeln untersagt. Natürliche Aromen sind verboten. Derzeit arbeiten rund 1500 Landwirte nach den biodynamischen Richtlinien von Demeter. In der Lausitz sind das die Höfe Gut Ogrosen und Landgut Pretschen im Spreewald und Bauer Glück sowie der Lindenhof bei Görlitz.