Alles BIO? Logisch!

Datum: Mittwoch, 03. Juni 2015 10:07

Ist Bio wirklich gesünder für den Verbraucher, immerhin werden auch konventionelle Lebensmittel streng kontrolliert? Regelmäßige Untersuchungen wie etwa das Öko-Monitoring Baden-Württemberg zeigen, das Öko-Produkte fast frei von schädlichen Stoffen bzw. sehr viel weniger mit schädlichen Stoffen belastet sind – schließlich wenden die Bio-Bauern diese auch nicht an. Studien zeigen außerdem, dass Öko-Produkte wie etwa Obst oder Gemüse mehr wertgebende Inhaltsstoffe wie Spurenelemente oder sekundäre Pflanzenstoffe aufweisen. Darüber hinaus ist Bio ist mehr als die Qualität, die sich im Endprodukt messen lässt. Der gesamte Produktionsprozess ist ressourcen- und klimaschonend – und deshalb gesünder für Mensch und Tier.

Skeptiker verweisen oft darauf, dass es Massentierhaltung und problematische Pflanzenschutzmittel wie Kupfer auch in der ökologischen Landwirtschaft gibt. Warum sollte der Verbraucher dann überhaupt die oft teureren Bioprodukte kaufen? Die Branche hat sich in den vergangenen Jahren stark professionalisiert. Trotzdem ist Bio längst nicht am Ende seiner Entwicklung. Deshalb arbeitet die Branche selbst kontinuierlich an ihrer Weiterentwicklung – zum Beispiel in den Bereichen Pflanzenschutz oder Tierhaltung. Auch wenn es für uns noch Einiges zu tun gibt: Bio ist am nachhaltigsten und das ist ein guter Grund, zu Öko-Lebensmitteln zu greifen.

Derzeit wird eine Überarbeitung der geltenden EU-Öko-Richtlinie in Brüssel diskutiert. Die Bioverbände sprechen sich gegen die Verschärfung der geltenden Richtlinien aus – warum? Für mich als Verbraucher klingen strengere Grenzwerte für Pestizid-Rückstände und bessere Regeln für eine artgerechte Tierhaltung durchaus sinnvoll.  Der Bio-Sektor will  eine Weiterentwicklung der EU-Öko-Verordnung und hat dafür selbst Vorschläge vorgelegt, etwa in den Bereichen Öko-Kontrolle, Importregeln oder für die Geflügelhaltung. Fakt ist jedoch, dass die EU-Kommission – unnötigerweise – eine komplette und unsinnige Überarbeitung des Bio-Rechts vorgeschlagen hat, die bestehende Defizite  verschärft anstatt sie zu beheben. Wir wollen, dass die Öko-Verordnung punktuell dort verbessert wird, wo es notwendig und wirklich sinnvoll ist. Ein Beispiel: In der EU existieren bereits strenge Grenzwerte für schädliche Substanzen. Diese wurden wissenschaftlich berechnet und gelten für alle Lebensmittel, also auch für Bio-Ware. Öko-Bauern verwenden keine chemisch-synthetischen Pestizide sondern setzen auf biologischen Pflanzenschutz. Trotzdem können Pestizide vom Nachbarn auf den Bio-Äckern landen und die Öko-Ware kontaminieren. Wenn die Bio-Landwirte jetzt dafür bestraft werden, wird das Verursacherprinzip auf den Kopf gedreht. Statt mehr und besseres Bio – das hat die Kommission als Ziel der Gesetzesüberarbeitung angegeben – würde der Ökolandbau zurück in die Nische gedrängt. Und: Bio-spezifische Grenzwerte werden nichts daran ändern, dass in der konventionellen Landwirtschaft jährlich Millionen Liter Pestizide auf den Acker kommen. Wenn man weniger Gift in der Landwirtschaft möchte, braucht es MEHR öko nicht weniger.

Was empfehlen Sie Eltern: Sollten Babys und Kinder lieber Bioprodukten bekommen?  Ja. Die Gründe habe ich beschrieben: Viele Studien zeigen, dass Bio gesünder ist. Bio schont unsere natürlichen Ressourcen. Für uns aber auch für die kommenden Generationen.

Gibt es Lebensmittel, bei denen Sie empfehlen würden: Da sollte es unbedingt Bio sein oder da kann es auch mal aus konventioneller Herstellung sein? Wie beschrieben bedeutet Bio Prozessqualität. Daraus folgt, dass sich gerade bei veredelten Produkten darum der Griff zum Bio-Produkt lohnt. So hatte bei der Milch für den Bio-Käse die Kuh Bio-Futter im Trog, Auslauf und wurde artgerecht gehalten. Zudem sind auch die anderen Käse-Zutaten in Bio-Qualität erzeugt und verarbeitet.  Generell  entscheidet der Kunde an der Ladentheke mit jedem Einkauf, welche Landwirtschaft er oder sie möchte. Entscheiden muss jedoch jeder selbst und entsprechend seiner Möglichkeiten.

Nur ein Teil der Biolebensmittel kommt aus Deutschland – sind Kartoffeln aus Ägypten oder Cornflakes aus den USA ebenso sicher und nach den gleichen Öko-Kriterien angebaut wie deutsche Produkte?
Ja, sind sie, denn Öko-Produkte dürfen nur dann in die EU eingeführt werden, wenn sie nach den Standards des europäischen Bio-Rechts erzeugt und kontrolliert wurden.

Sind die Pflaumen vom Nicht-Bio-Kleinbauern auf dem Wochenmarkt unter Umständen nachhaltiger als Bio-Pflaumen aus Israel, die ich beim Discounter bekomme?
Der Verkaufsort hat erst einmal nichts mit der Qualität der Ware zu tun. Dennoch: Wenn die Pflaumen vom Wochenmarkt aus der Region stammen, ist das schon einmal sehr gut. Besser wäre jedoch, sie kommt vom Öko-Obstbauern, denn dann wurde sie nicht mit Pestiziden oder mit Kunstdünger behandelt. Grundsätzlich gilt: Bio + regional + saisonal = erste Wahl.

Mit welchen Kosten ist eine Zertifizierung als Bio-Landwirt verbunden?
Das ist sehr unterschiedlich und hängt stark vom Betriebstyp ab. Für die meisten Betriebe werden dreistellige Beträge im Jahr anfallen.

Die Umstellung auf ökologische Landwirtschaft kostet Zeit und Geld, Bio-Bauernhöfe bringen oft weniger Ertrag bei höheren Kosten – kann sich eine weiter steigende Nachfrage überhaupt bewältigen lassen?
In der Tat wächst der Bio-Absatz stärker als die Bio-Anbaufläche. Es sollte oberste Prämisse sein, so viele Lebensmittel wie möglich hierzulande zu produzieren, damit auch die positiven Umweltwirkungen des Öko-Landbaus vor Ort erlebbar sind. Damit das geling, braucht es vernünftige politische Rahmenbedingungen.  Wenn Agrargasmaisanbau durch Subventionen rentabler ist als die Produktion von Bio-Gemüse, dann läuft etwas falsch. Wir müssen erreichen, dass der Preis von Lebensmitteln die ökologische und soziale Wahrheit spricht. Konventionelle Lebensmittel sind viel zu billig, wenn man erkennt, was die Produktion wirklich kostet. In Frankreich etwa hat man errechnet, das die Wasserwerke jedes Jahr 1,5 Mrd. Euro bezahlen müssen, um das Trinkwasser zumindest so zu reinigen, dass die Grenzwerte eingehalten werden. Wenn man Nitrat und Pestizide komplett herausfiltern wöllte, lägen die Kosten sogar bei rund 50 Mrd. Euro. Diese Kosten müssten eigentlich auf den Preis für herkömmliche Lebensmittel aufgeschlagen werden, statt ihn über die Wasserrechnung abzugelten und damit jedem Einzelnen aufzubürden. Würden die tatsächlichen Kosten auf den Produktpreis aufgeschlagen, gäbe es kaum Unterschiede mehr zu Bio-Produkten. Abgaben auf Düngerüberschüsse und Pestizide sowie ordnungspolitische Instrumente wären geeignet, um zu wahren Preisen zu gelangen und einen nachhaltigen Umbau der Land- und Lebensmittelwirtschaft zu forcieren.