Wenn Pflegekinder ein Zuhause suchen – rund um die Pflegefamilie.
Täglich werden Kinder missbraucht und misshandelt, geschlagen und vernachlässigt, häufig von den eigenen Eltern. Das Thema ist heikel und der Staat macht es sich nicht einfach: Wann muss ein Kind vor seinen Eltern geschützt werden? Wann sind sie nicht mehr in der Lage, es gut zu versorgen? Droht einem Kind Gefahr durch Vernachlässigung und Missbrauch oder wegen Alkohol- und Drogenproblemen seiner Eltern, greift das Jugendamt ein. Ihm muss der Spagat gelingen, das Kind einerseits zu schützen, es andererseits möglichst lange bei seinen leiblichen Eltern zu lassen. Wie schwierig dieses Abwägen im Einzelfall ist, zeigen Fälle wie von der verhungerten fünfjährigen Lea-Sophie in Schwerin 2008 oder dem an seinen Misshandlungen verstorbenen zweijährigen Kevin in Bremen 2006. In solchen Fällen sind die Medien schnell zur Stelle, die Öffentlichkeit wird hellhörig. Die meisten Fälle vernachlässigter Kinder aber spielen sich tagtäglich hinter verschlossenen Türen ab – von der Öffentlichkeit unbemerkt. Sind die Eltern mit ihrem Nachwuchs offensichtlich überfordert, greift die Kinder- und Jugendhilfe, je nach Bundesland hat der Staat unterschiedliche Möglichkeiten, um zu helfen: Hausbesuche, Gespräche, Beratungen, Familienhelfer, Tagesgruppen für die Kinder. Das betroffene Kind aus der Familie herauszuholen und anderweitig unterzubringen, ist immer das letzte Mittel. In solchen Fällen muss schnell eine Unterbringungsmöglichkeit für das Kind gefunden werden: ein Heim, eine betreute WG, eine Pflegefamilie. Geben die Eltern nicht freiwillig ihr Einverständnis für eine Herausnahme des Kindes, muss das Familiengericht entscheiden. Stimmt es der Herausnahme zu, wird eine neue Perspektive für das Kind gesucht. Ältere Kinder werden eher in Wohngruppen im Heim untergebracht, jüngere Kinder hingegen werden eher in eine Pflegefamilie vermittelt.
Kinder- und Jugendhilfe in Zahlen
In Deutschland sind derzeit etwa 150.000 Kinder außerhalb ihrer Familie untergebracht, um sie zu schützen – etwa jedes dritte dauerhaft in einer Pflegefamilie. Die aktuellsten Zahlen liegen von 2014 vor: In diesem Jahr wurden 55.800 Kinder aus ihren Familien herausgenommen. 39.800 von ihnen kamen in ein Heim bzw. betreutes Wohnen, 16.000 Kinder kamen in eine Pflegefamilie, 6.000 mehr als noch zehn Jahre zuvor. Insgesamt lebten 2014 gut 69.800 Kinder und junge Erwachsene dauerhaft in einer Pflegefamilie, Tendenz leicht steigend. 73.000 Kinder und junge Erwachsene lebten 2014 in einem Heim oder einer anderen Form betreuten Wohnens. In Brandenburg liegt die Zahl der Kinder und jungen Erwachsenen in Pflegefamilien bei 2.100, in Sachsen bei 2.900. Für die Kinder- und Jugendhilfe gab Deutschland 2010 insgesamt 29 Milliarden Euro aus, den größten Posten machen Krippen und Kitas aus. Schon an zweiter Stellen folgen mit 7,5 Mrd. Euro die Erziehungshilfen, worunter u. a. die Unterbringung in Heimen bzw. Wohngruppen oder Pflegefamilien zählt – auch hier gilt: Tendenz seit Jahren steigend. Vergleicht man die Kosten von Heimerziehung und Pflegekinderhilfe, so wird deutlich, dass die Pflegekinderhilfe in gewisser Hinsicht ein »Sparschwein« der Kinder- und Jugendhilfe ist (siehe Grafik).