Pflegefamilien machen einen großartigen Job
Interview mit Monika Krumbholz. Die Diplom-Sozialpädagogin ist Mitglied im Kompetenz-Zentrum Pflegekinder e.V. und Geschäftsführerin der Pflegekinder in Bremen gGmbH, die sie selbst mit aufgebaut hat. Der freie Träger gilt als Leuchtturm der Pflegekinderhilfe in Deutschland. Im Interview erklärt sie, warum Pflegefamilien so wichtig sind und inwiefern Pflegekinder eine Bereicherung sind.
Aus Ihrer Erfahrung: Aus welchen Motiven heraus nehmen Paare Pflegekinder auf? Das ist ganz unterschiedlich. Ich will nur mal drei Beispiele nennen: Erstens sind da die Familien, die einfach Gutes tun wollen, die selbst Kinder haben und den anderen Kindern, die nicht so glücklich aufwachsen, ein stabiles liebevolles Zuhause geben wollen, die aber auch wissen, dass sie dafür etwas zurückbekommen. Dann gibt es Pflegeverhältnisse, die kommen eher ungeplant zustande. Da wird ein Kind, das von seinen Eltern wegen Drogenproblemen oder Krankheit nicht mehr versorgt werden kann, von der Oma, der Tante, der Erzieherin oder der Nachbarin in Pflege genommen. Ein drittes Beispiel sind jene Paare, die ungewollt kinderlos sind und die nicht auf eine Adoption warten wollen. Da müssen wir natürlich gut beraten und prüfen, ob Pflegekinder wirklich das richtige für sie sind. Denn Pflegekinder dürfen nicht die Aufgabe haben, ein „Ersatz“ zu sein. Sie sind etwas ganz eigenes. Das ist nicht weniger schön, aber anders.
Also gibt es die klassischen Pflegeeltern gar nicht? Ja und nein. Jede Pflegefamilie ist so individuell wie jede „normale“ Familie auch. Dazu gehören natürlich auch Singles, gleichgeschlechtliche Paare und Menschen mit Migrationshintergrund. Was allen Pflegefamilien eigen ist: Sie sind sozial sehr engagiert, wollen helfen und haben sich vorher gut informiert und überlegt, was auf sie zukommt.
Was kommt denn auf sie zu? Wie unterscheiden sich Pflegekinder von leiblichen Kindern?
Zunächst einmal ist ein Pflegekind ein „fremdes“ Kind. Das mag logisch klingen, macht aber doch einen großen Unterschied zum eigenen Kind. Jedes Pflegekind, mag es noch so jung sein, bringt seinen „Rucksack“ an Erfahrungen und Erlebnissen mit in die Pflegefamilie. Es hat seine eigene Geschichte und seine leiblichen Eltern, vielleicht auch Geschwister und Großeltern, die man als Pflegeeltern annehmen muss. Pflegeeltern müssen wissen, dass ein Pflegekind immer zwei Familien hat. Das Kind lebt mit beiden Familien und muss lernen, sich zwischen diesen beiden Welten zu bewegen.
Das birgt sicher Konfliktpotential, spätestens wenn leibliche Eltern und Pflegeeltern unterschiedliche Vorstellungen davon haben, wie das Kind erzogen werden soll.
Der Kontakt zwischen den beiden Familien ist tatsächlich ein großes Thema in der Pflegekinderhilfe. Wird diese Beziehung von Beginn an professionell begleitet, funktioniert sie aber in der Regel. Aus unserer Arbeit in Bremen wissen wir, dass sich zunächst einmal die Erwachsenen kennenlernen müssen – also die Elternteile der Herkunfts- und der Pflegefamilie. Nicht nur das Kind muss zur Pflegefamilie passen, auch die Eltern müssen zueinander passen. Sie müssen vertrauensvoll zusammenarbeiten können – im Interesse des Kindes. Sie müssen regelmäßig miteinander kommunizieren, unterstützt von den Fachleuten des zuständigen Trägers. Wir haben bei uns Beratungsangebote für beide Familien etabliert und damit sehr gute Erfahrungen gemacht.
Die Beratung spielt also eine wichtige Rolle in der Pflegekinderhilfe?
Unbedingt! Nur sie schafft den professionellen Rahmen für ein erfolgreiches Pflegeverhältnis. Die Familien brauchen Beratungs- und Gesprächsangebote mit Fachleuten, aber auch mit anderen Pflegeeltern. Die Zahl und Qualität solcher Beratungsangebote reduziert nachweislich die Zahl der Abbrüche von Pflegeverhältnissen, die vor allem in der Pubertät ein Thema sind. Deswegen ist es so wichtig, dass sich Pflegefamilien regelmäßig qualifizieren. Pflegeeltern haben Rechte, aber auch Pflichten. In der Heimerziehung ist es Standard, dass sich die Mitarbeiter regelmäßig weiterbilden müssen – für Pflegefamilien nicht. Aber auch von ihnen müssen und können wir erwarten, dass sie Weiterbildungen nutzen und ihre Kompetenzen erweitern und entwickeln. Das hilft ihnen ja auch, weil sie sich dann im Alltag und im Umgang mit den Pflegekindern sicherer fühlen.