Aufklärung vom Kleinkind bis zum Teenie.
Wenn aus Wörtern Sätze werden, wird es für Eltern manchmal heikel. Zunächst kann man es kaum erwarten, dass die süße Babyschnute die Worte „Mama“ und „Papa“ ausspuckt. Kaum ist es soweit, dann dauert es nicht lang, bis die ersten unbequemen Nachfragen aus dem Nachwuchs sprudeln: Ist der Opa jetzt im Himmel? Wo wohnt der Weihnachtsmann? Wie kommt das Baby in den Bauch? Fragen über Fragen, die selbst redegewandte Eltern gelegentlich ins Stocken kommen lassen. Den zögernden Eltern wollen wir mit diesem Beitrag eine kleine Anleitung an die Hand geben: Wir widmen uns ganz allgemein und sehr weit gefasst dem Thema Aufklärung. Wann ist ein Kind bereit für welche Information? Was kann ich einem Kind in welchem Alter zumuten, wovor sollte ich es noch schützen? Wie vermittle ich einem Kind diese Informationen? Es geht dabei um das klassische Aufklärungsthema Sexualität ebenso wie um andere heikle Themen: Sterben und Tod. Nachrichten und Terroranschläge. Zu jedem Thema finden Eltern Expertentipps und passende Antworten auf mögliche Kinderfragen.
Kognitive Entwicklung – was das kindliche Gehirn wann begreift
Wer wissen will, wann sein Kind für welche Information bereit ist, sollte die Entwicklungsschritte des kindlichen Denkens zumindest in Grundzügen kennen. Um eine neue Information zu verstehen und zu verarbeiten, braucht ein Kind zunächst gewisse sprachliche und kognitive Voraussetzungen. Das Zeitverständnis einer Zweijährigen ist ein ganz anderes als das eines Achtjährigen. Für die Zweijährige reicht die Erklärung „Bald kommt der Osterhase.“ Der Grundschüler weiß: Ostern feiern wir dieses Jahr im April. Und so ist es mit vielen Informationen: In den Kinderkopf können wir nur jene Informationen packen, die er auch schon verarbeiten kann. Ganz allgemein gilt die Regel: Je jünger das Kind, desto einfacher, knapper und bildhafter sollten Erklärungen erfolgen. Wird das Kind älter, sind mehr Details und quasi-wissenschaftliche Erklärungen sinnvoll und nötig.
Die geistige Entwicklung des Kindes setzt im Grunde schon im Bauch der Mutter ein, sie ist eng an die motorische und sprachliche Entwicklung geknüpft und an die Sinne: Fühlen, Sehen, Hören. Nach der Geburt sind zunächst die Sinne die wichtigsten Lern-Mittel des Kindes. Es riecht die Mama, hört Papas Stimme, erkennt das Gesicht des Bruders. Bereits mit wenigen Monaten fängt das Kind an, die Welt zu begreifen – im Wortsinne, alles was es in die Finger oder in den Mund bekommt, wird erkundet. In den ersten Jahren leben Kinder im Hier und Jetzt, ihr Denken ist sehr Ich-bezogen. Dass jemand die Welt anders wahrnimmt als sie, kommt in ihrer Vorstellungskraft noch nicht vor. Typisches Beispiel: Der Zweijährige zeigt seinem Gegenüber am Telefon (ganz klassisch, ohne skype) sein neuestes Auto. Dass der andere ihn nur hört, nicht aber sieht, erschließt sich noch nicht. Oder die Dreijährige schaut sich auf der Rücksitzbank im Auto ein Bilderbuch an und zeigt der Mama etwas. Auch hier ist ihr nicht klar, dass die Mama die Bilder im Buch nur sehen kann, wenn sie neben ihr sitzt. Das sich Hineinversetzen in andere und auch in die Gefühle anderer beginnt in der Regel mit dem Vorschulalter. Kinder verstehen jetzt auch, dass der Kitakumpel traurig ist, wenn man ihn ärgert.
Das Denken im Kleinkindalter ist zudem geprägt von der „magischen Phase“. Kinder können im Alter von etwa 3 bis 7 Jahren nur bedingt zwischen Realität und Fantasie unterscheiden. In dieser Phase haben sie Halloween tatsächlich Angst vor den verkleideten Hexen und Geistern, sie glauben fest an den Weihnachtsmann und brauchen Eltern, die gemeinsam mit ihnen vor dem Schlafengehen die Gespenster und Monster verjagen.
In der magischen Phase erklären sich die Kinder die Welt auf ihre eigene Art, sie finden fantasievolle Erklärungen für Naturphänomene. Eltern sollten in diesem Alter nicht versuchen, Warum?-Fragen mit wissenschaftlichen Abhandlungen zu erläutern. Ein Vierjähriger muss noch nicht wissen, dass Verstorbene unter der Erde begraben werden oder die Sonne nur auf die andere Erdhalbkugel wandert. Fragt ein Kind „Warum ist das so?“ könnten Eltern zunächst gemeinsam mit ihm überlegen: „Was glaubst Du, warum das so ist?“ Vielleicht erklärt das Kind dann, dass die Sonne schlafen geht und Opa jetzt eine Wolke ist.
Den Zusammenhang von Ursache und Wirkung versteht ein Kind schon früh: Wenn ich auf den Schalter drücke, geht das Licht an. Wenn ich weine, tröstet mich der Papa. Allerdings dauert es eine Weile, bis Kinder Ursache und Wirkung richtig voneinander unterscheiden können und bis ihnen klar wird, dass nicht immer ihr eigenes Tun die Ursache für alles ist, was um sie herum geschieht.
Mit dem Vorschulalter beginnt meist das Frage-Alter. Das Kind beginnt über seine eigenen Erfahrungen, Vorstellungen und Gefühle nachzudenken. Im Laufe der Jahre wird das Denken immer vielschichtiger und komplexer. Einhergehend mit der sprachlichen Entwicklung erweitert sich die Welt des Kindes. Es lernt, dass es nicht nur sein Haus und seine Kita gibt, dass es viele Städte, Länder gibt, dass hinter dem Himmel der Weltraum wartet. Es entwickelt ein Zeitverständnis, kennt Wochentage und Monatsnamen. Es verortet sich in Raum und Zeit. Es kann mit Maßen, Zahlen, Symbolen umgehen, versteht Gesetzmäßigkeiten und kann diese auf neue Probleme übertragen.
Selber Ausprobieren und Beobachten sind dennoch weiter wichtig. Es kann vorausschauen und planen, verlässt häufiger das Hier und Jetzt. Das logische Denken verfeinert sich. Bis es allerdings den Regeln der Erwachsenenlogik folgt, dauert es bis zum Beginn der Pubertät. Je komplexer das kindliche Denken wird, desto mehr hinterfragt das Kind. Es gibt sich nicht mehr mit dem zufrieden, was es sieht, hört und fühlt. Es will Hintergründe, Ursachen, Zusammenhänge verstehen.