Gespräche mit Kindern: Regeln & Gelegenheiten
Früher oder später kommt die erste Warum-Frage. Egal, ob mit zwei oder vier Jahren, Eltern sollten darauf vorbereitet sein und eine passende Antwort parat haben. Für die erste Warum-Frage gilt genauso wie für alle späteren Fragen rund um heikle Themen: Das Kind ernst nehmen und auf seinen Wissensdurst eingehen. Es gibt noch einige weitere allgemeingültige Regel für die Gesprächsführung mit Kindern – unabhängig vom Thema:
Manche Frage trifft einen unvorbereitet. Das ist nicht schlimm: Viel wichtiger, als eine wissenschaftlich korrekte Antwort, ist zunächst einmal die Reaktion selbst. Eltern sollten sich Zeit nehmen und auf die Fragen eingehen. Sie können nachfragen, wie es denn jetzt darauf komme. Sie können eine einfache Antwort geben und gemeinsam mit dem Kind nach einer Antwort suchen. Sie können das Gespräch weiter vertiefen und weitere Fragen und Antworten zu dem Thema suchen. Wissen Sie partout keine passende Antwort, ist es auch völlig legitim zu sagen: Das weiß ich jetzt auch nicht so genau. Aber ich werde noch mal darüber nachdenken und wir sprechen später darüber, in Ordnung? Sollte die Warum-Frage zu einem ungünstigen Zeitpunkt kommen, beim Abgeben in der Kita oder an der gut gefüllten Supermarkt-Kasse, ist es völlig in Ordnung, das Kind zu vertrösten und die Antwort auf später zu verschieben. Bei der nächsten ruhigen Gelegenheit sollte dann aber auch tatsächlich noch einmal das Gespräch gesucht werden.
In Gesprächen in der Familie sollten einige grundlegende Kommunikationsregeln von Beginn an vermittelt und vorgelebt werden: Jeder darf seine Argumente vorbringen. Jeder darf ausreden. Schimpfwörter etc. sind tabu, ufert das Gespräch aus, kann eine Pause sinnvoll sein. Das Gespräch findet auf Augenhöhe statt, z.B. indem alle Gesprächspartner auf der Couch oder am Tisch sitzen.
Eltern sollten sich der Sprachentwicklung ihres Kindes anpassen. Etwa ab der Vorschule ist die Gesprächsführung bei Kindern so weit entwickelt, dass sie in der Lage sind, sich dem Alter, Geschlecht und sozialen Status ihres Gegenübers sprachlich anzupassen. Sie werden mit ihrer kleinen Schwester anders reden, als mit dem Papa und mit dem Lehrer.
Jüngeren Kindern reichen einfache Sätze, knappe Erklärungen, bildhafte Erklärungen: Die Pfütze wurde von der Sonne aufgeleckt. Der Opa ist in den Himmel geflogen. Wenn Mama und Papa sich ganz doll lieb haben, kommt ein Baby in Mamas Bauch.
Bei jüngeren Kindern kann es sinnvoll sein, sich nicht ausschließlich auf das (Aufklärungs-)Gespräch zu fokussieren, sondern solche Themen eher nebenher zu besprechen. Vielleicht beim Turmbauen oder Kastaniensammeln. Gerade kleine Redemuffel sind so eher zum Reden zu motivieren.
Miteinander Kommunizieren ist immer auch Beziehungsarbeit. Durch Gespräche erfahren Kinder Wertschätzung, Zuwendung und Anerkennung. Studien mit Kindern ab dem Schulalter belegen, dass diese sich mehr Gespräche mit ihren Eltern und anderen Erwachsenen wünschen. Wer von Beginn an auf die Fragen, Ängste und Sorgen seiner Kinder eingeht, baut eine wichtige Basis für spätere Jahre: Die Kinder lernen, dass die Eltern immer als Gesprächspartner zur Verfügung stehen, dass es keine falschen Fragen gibt, dass sie mit ihnen über alles reden können. Das garantiert nicht für eine sorgenfreie Pubertät, macht es aber wahrscheinlicher, dass Eltern und Jugendliche auch in dieser komplizierten Phase nicht den Draht zueinander verlieren.
Wird zu Hause viel gesprochen, zunächst über die Alltagswelt der Kleinen, später auch über komplexe Zusammenhänge und das Weltgeschehen, lernen die Kinder automatisch, sich auszudrücken, Argumente abzuwägen, sich eine Meinung zu bilden, diese wenn nötig zu verteidigen. Sie lernen, komplexe Themen einzuordnen. Gespräche sind ebenfalls eine gute Möglichkeit, um seinen Kindern Werte zu vermitteln. Was ist uns wichtig, worauf legen wir Wert?
Es kann durchaus passieren, dass ein Kind immer mal wieder mit dem selben Thema anfängt. Vielleicht will es wissen, wie das Baby in den Bauch kommt, obwohl Sie das schon längst thematisiert hatten. Einerseits vergessen gerade jüngere Kinder manche Informationen im Laufe der Zeit wieder. Andererseits hat es in dieser Zeit vielleicht einen Entwicklungssprung gemacht und braucht eine detailliertere Antwort, die seinem Alter angemessen ist.
Gerade bei heiklen Themen gilt: Warten Sie auf Fragen des Kindes oder auf Anlässe. Gerade bei Themen wie Sterben und Tod oder Terroranschlägen ist es nicht sinnvoll, als Elternteil mit dem Thema anzufangen, weil man es jetzt für angebracht hielte oder die Zeit für ein ernstes Vater-Sohn-Gespräch reif sei. Wenn Sie die Möglichkeit haben, nutzen sie ruhige Momente abseits der Alltagshektik für solche Gespräche. Wenn Sie keine passende Antwort parat haben, holen Sie sich Unterstützung: Belesen Sie sich, fragen Sie andere Eltern, wie sie mit dem Thema umgegangen sind. Gerade bei jüngeren Kinder sind Bilderbücher Gold wert. Zu jedem Thema gibt es ein oder mehrere Titel, in denen die Problematik altersgerecht aufbereitet wurde. Schauen Sie sich das Buch gemeinsam mit dem Nachwuchs an.
Wann ein Kind für welche Information bereit ist, muss jede Familie immer auch individuell für sich beantworten. Es gibt sehr offene, wissbegierige, selbstbewusste Kinder, denen man vielleicht mehr zumutet. Es gibt sensible, ängstliche Kinder, bei denen man mit bestimmten Informationen lieber noch warten sollte. Und natürlich gehen auch Eltern abhängig von ihrem Charakter unterschiedlich mit schwierigen Themen um. Insofern sind die folgenden Altersangaben immer nur ein grober Richtwert.
Wer diese grundlegenden Tipps und Regeln beachtet, ist auf die ersten schwierigen Themen schon gut vorbereitet. Auf den folgenden Seiten widmen wir uns eben jenen Themen. Wir erklären, in welchem Alter das Kind für welche Information bereit ist und wie man diese altersgerecht vermittelt. Zu einigen Themen haben wir Erziehungsberaterin Maria Große Perdekamp befragt, sie erklärt aus Expertensicht, was Kinder wissen müssen und was nicht. Im ausführlichen Interview am Ende des Beitrags berichtet sie von ihrer Arbeit beim online-Beratungsportal des bke.
Sexuelle Aufklärung
Der Klassiker der heiklen Eltern-Kind-Themen ist die sexuelle Aufklärung. Dabei umfasst das Thema sehr viel mehr als das dank Biologie-Unterricht und Internet vielleicht gar nicht mehr notwendige EINE Gespräch. Sexualität beginnt bereits im Babyalter. Schon die kleinsten lieben es, mit Mama und Papa zu kuscheln, eng am Körper getragen zu werden. So lernen sie von Beginn an, dass körperliche Nähe angenehme Gefühle auslösen kann. Werden die Kinder älter, lernen sie auch, dass sie selbst für diese angenehmen Gefühle sorgen können. Das können und sollen Eltern zulassen, dem Kind aber auch klar machen, dass Selbstbefriedigung zwar etwas Schönes, aber auch etwas Intimes ist, und das sollte man in Ruhe für sich machen und nicht vor anderen. Eltern sollten vor allem zwei Dinge beherzigen: Sie sollten Kindern die Gelegenheit geben, ihren Körper zu erkunden, sie sollten deren Intimsphäre und Schamgrenzen wahren und das wenn gewünscht auch für sich selbst einfordern. Sie sollten den Kindern aber auch klar machen, dass sie selbst über ihren Körper bestimmen. Wenn sie körperliche Nähe nicht wollen, sei es das Kuscheln mit Mama, der Kuss von der Tante oder das Doktorspiel im Kindergarten, dann sollen und dürfen sie klar „Nein!“ sagen. Beim Reden über Sexualität geht es nie nur um das Vermitteln von Fakten, es geht immer auch um Gefühle, Vertrauen, Respekt. Ansonsten können Eltern mit allen Themen rund um Sex und Liebe entspannt umgehen. Das ist leicht dahingeschrieben, im Alltag tun sich viele Erwachsene doch schwer mit dem Thema. Hier gilt: Übung macht den Meister und je früher, desto besser. Kleine Kinder reden über Sexualität genauso unbefangen wie über Dinosaurier oder Ballett. Scham kennen sie noch nicht und das sollten Eltern unbedingt nutzen. Haben die Kinder den Eindruck, dass den Eltern manche Fragen unangenehm sind und sie gar nicht oder nur ausweichend antworten, verschließen sie sich vielleicht und holen sich die Antworten anderswo.
Zu einem entspannten, offenen Umgang mit dem Thema Sexualität gehört auch, dass die Kinder schon früh ihre Geschlechtsteile benennen können. Bis zum Vorschulalter ist es völlig in Ordnung, die Geschlechtsteile mit verniedlichenden Begriffen zu besetzen, anstatt sie direkt zu benennen. Ab der Schule sollten Kinder auch die Fachbegriffe kennen.
Begriffe für Penis: Nudel, Pipimann, Pullermann, Pimmel, Hans, Pipimax, Schnidelwutz, Gliedchen, Schniepel, Schniedel, Zipfel
Begriffe für Vagina: Schrippi, Vulva, Mumu,
Muschi, Blume, Schnecke, Bärchen, Gießkännchen