Hirn und Hand im Zwiespalt
Die meisten Kinder entwickeln vom zweiten bis zum vierten Lebensjahr einen stabilen Handgebrauch. Kinder, die in dieser Lebensphase beim Handgebrauch noch beständig zwischen links und rechts wechseln, benötigen hingegen professionelle Hilfe und Orientierung. Sogenannte „Beidhänder“ gibt es mit Blick auf eine gesunde, kindliche Entwicklung nicht. Ganz im Gegenteil neigen Kinder mit wechselndem Gebrauch der Hand später zu vielen, teils schweren psychischen und Leistungsproblemen. Hier sollten sich Eltern rechtzeitig von Medizinern und Psychologen, vor allem aber Ergo- und Physiotherapeuten beraten lassen.
Die Bedeutung einer solchen Beratung für das eigene Kind wird vor allem beim Blick auf die Folgen einer umerzogenen Händigkeit deutlich: Denn eine Umschulung der Händigkeit stellt einen massiven Eingriff in die Funktionen des menschlichen Gehirns dar. Nach einer statistischen Erhebung der Organisation für neutrale Wissenschaften in München stellten in der Vergangenheit in früher Kindheit umgeschulte Linkshänder (Pseudorechtshänder) ca. 60 % aller psychotherapeutischen Fälle. Ihr Gehirn hat die widernatürliche Umerziehung nicht verkraftet. Am deutlichsten wird dieser Vorgang beim Schreiben: Hier müssen Hand und Finger beim Bilden der Buchstaben und Worte äußerst komplexe feinmotorische Aufgaben ausführen, während gleichzeitig über Grammatik, Rechtschreibung und Formulierung nachgedacht und diese Gedanken dann zum Weiterschreiben wieder in motorische Abläufe an Hand und Finger übersetzt werden müssen. Ähnlich komplexe Vorgänge mit höchsten Ansprüchen an unterschiedliche Funktionskompetenzen im Gehirn und deren Übersetzung in ein feinmotorisches Agieren gibt es auch beim Musizieren, Sport oder vielen anderen Tätigkeiten. Bei einer Umschulung der Händigkeit kommt es bei diesen komplexen Vorgängen zu ei
ner Überlastung der nun zuständigen, motorisch aber nicht dominanten Gehirnhälfte und zu einer Unterbelastung der natürlich dominanten – da die Strukturen im Gehirn fest verankert sind und durch die Umschulung nicht geändert werden können. Die Folge sind innere Konflikte und Kompetenzschwierigkeiten zwischen beiden Gehirnhälften. So reagieren bei einem umgeschulten Linkshänder zwangsläufig beide Gehirnhälften, es kommt zu einer doppelten Aktion im Gehirn. Abläufe werden verlängert, vermutlich auch überlagert. Es wird mehr Energie verbraucht, Ermüdung und Unkonzentriertheit sind logische Folgen. Weitere unmittelbare Folgen können in Gedächtnisschwierigkeiten und Blackouts bestehen – viele umgeschulte Linkshänder umschreiben das als eine Art „Wackelkontakt“ im Gehirn. Viel tiefer greifen aber daraus resultierende nachhaltige Störungen des Verhaltens und der Psyche. Folgende Übersicht stellt mögliche Primär- und Sekundärfolgen einer Umschulung der Händigkeit dar:
Primärfolgen
• Gedächtnisstörungen
• Konzentrationsschwierigkeiten
• Lese-Rechtschreibstörungen
• Links-Rechts-Unsicherheit
• Feinmotorische Störungen
• Sprachauffälligkeiten (Stammeln bis Stottern)
Sekundärfolgen
• Unsicherheit
• Zurückgezogenheit
• Minderwertigkeitskomplexe
• unterschiedlich ausgeprägte
Verhaltensstörungen
• Bettnässen und Nägelkauen
• Trotzhaltung, Imponier- und
Provokationsgehabe
• überhöhter Leistungseinsatz
zur Problemkompensation
• emotionale Probleme bis ins Erwachsenenalter mit neurotischen und/oder psychosomatischen Symptomen
Insbesonders hoch intelligente, umgeschulte Linkshänder befinden sich dabei in einem Dilemma. Sie werden bei Fehlleistungen infolge von Sprach- und Gedächtnisschwierigkeiten durch Pä
dagogen (und Eltern) als faul eingestuft, können oft aber nur bei einem „Leistungskick“ entsprechend ihrer Intelligenz funktionieren. Dieser Leistungskick erfordert aber eine dauerhafte Überanstrengung, die bis zur absoluten Erschöpfung, zum Burn-Out oder zu psychosomatischen Störungen führen kann.
Die Folgen einer Umerziehung der Händigkeit machen klar, warum vor Eintritt in die Schule die natürliche Händigkeit unbedingt geklärt werden muss. Mit der Schule wird der Handgebrauch verfestigt – und Fehler bei der Festlegung sind nach einigen Schuljahren evtl. nicht mehr umkehrbar, das Kind wird unter Umständen ein Leben lang an den Folgen leiden.
Umerziehen der Umerziehung
Wenn ein Kind oder Erwachsener mit umerzogener Händigkeit wieder auf seine dominante Hand umgeschult wird, spricht man von Rückschulung. Wer bei seinem Kind erst während oder nach dem Erlernen des Schreibens den falschen Handgebrauch fest stellt, sollte schnellstmöglich eine professionelle Beratung aufsuchen. Eine Rückschulung auf die dominante Hand ist nämlich durchaus mit zusätzlichen Gefahren verbunden, kann bei Kindern jedoch mit Einfühlung und psychotherapeutischer Erfahrung vorgenommen werden. Je früher, desto besser! Eltern sollten sich vergegenwärtigen, dass hierbei ein erneuter Eingriff in die Strukturen des Gehirns vorgenommen wird – ein Eingriff, der unbedingt durch speziell ausgebildete Ergotherapeuten und je nach Folgen der Umschulung evtl. auch durch Physiotherapeuten und Psychotherapeuten begleitet werden
sollte. Auch bei Erwachsenen kann eine Rückschulung die Fehlentwicklung der Kindheit unter Umständen wieder gut machen, ist aber als Experiment mit ungewissem Ausgang, deutlich größeren Anstrengungen und auch möglichen Gefahren zu betrachten.
Händigkeit fördern
Sowohl für Rechts- als auch für Linkshänder sollten im Haushalt, in Krippe und Kindergarten sowie Schule die passenden Gebrauchsgegenstände zur Verfügung stehen, soweit sie der Entwicklung bzw. Förderung der Händigkeit förderlich sind. So sind für Linkshänder spezielle Linkshänderscheren notwendig – Scheren „für Links- und Rechtshänder“ sind ungeeignet! – ebenso andere Schreiblernhilfen, Anspitzer und evtl. auch Lineale.
Die Unterstützung der Händigkeit beginnt aber schon viel früher: Mit dem neutralen Aufhängen der Rassel über dem Kinderwagen, der Platzierung des Spielzeugs, des Kinderlöffels, dem ersten Handgeben beim Besuch der Verwandtschaft, der Verwendung von Tassen ohne einseitigem Dekor. Schon hier können Eltern durch neutrales Platzieren und Zulassen der gerade bevorzugten Hand des Kleinkinds falsche Orientierungen vermeiden.
Wenn Kinder mit Gegenständen oder Tätigkeiten umgehen, die mit motorischen Vorgängen verbunden sind, üben sie Bewegungsabläufe ein und speichern diese im Gehirn ab. Diese Abläufe werden sozusagen automatisiert. Es gibt dann einen festen Schaltplan im Gehirn, wie diese Abläufe über Nervenbahnen gesteuert werden. Um solche bereits erlernten Automatismen zu verändern, müssen diese zuerst sozusagen gelöscht werden und dann neu mit bewusster Motorik überdeckt oder ausgetauscht werden, bis diese in neue, gut automatisierte Bewegungsabläufe übernommen werden können. Wenn man dies auf einen komplizierten Vorgang wie das Schreiben bezieht, wird schnell klar, welche Anstrengung hier eine Korrektur erfordert.
Gerade bei Linkshändern sollten Eltern deshalb von Anfang an darauf achten, diese Automatismen durch die richtige Handhabung passender Gebrauchsgegenstände einzuüben. Das betrifft insbesondere folgende Gegenstände und Tätigkeiten:
Gebrauchsgegenstände für Linkshänder
Zum Lernen: Schere, Spitzer, Mal- bzw. Schreibtischauflage (ohne Anlageschiene/-lineal), dreieckige Wachsmalkreide, Schreiblernstifte mit Bleistiftminen, Füller, Tintenroller, Computermaus, Lineale (mit Vorbehalt)
Im Haushalt: Kartoffel- bzw. Gemüseschäler, Dosenöffner, Brotmesser für ältere Kinder, Taschenmesser, Gemüsemesser, Tassen (nur notwendig, wenn einseitig dekoriert)
Hier soll nur auf die grundlegenden Gegenstände eingegangen werden – für weitere Hinweise sind am Ende des Artikels entsprechende Literaturhinweise und eine sachdienliche Internetseite aufgeführt.