Spangen für alle?!

Datum: Freitag, 27. Oktober 2017 14:51


Wie finde ich den richtigen Kieferorthopäden?

Wenn sich Eltern und Kind für eine kieferorthopädische Behandlung entscheiden, ganz gleich aus welchen Gründen, sollten sie sich zunächst auf die Suche nach einem guten Arzt machen. Dazu kann man sich im Bekanntenkreis umhören. Da die Behandlung langwierig ist und die Kinder über Jahre regelmäßig dort hinmüssen, ist es sicher einfacher für die Familie, wenn der Kieferorthopäde in der Nähe des Wohnortes seine Praxis hat. Im Idealfall können ältere Kinder ihn auch allein erreichen. Hat man sich für eine Praxis entschieden, sollte der erste Eindruck stimmen. Kind und Eltern sollten sich gut aufgehoben und vor allem gut aufgeklärt fühlen. Ein gutes Vertrauensverhältnis ist gerade auch wegen der Länge der Behandlungsdauer sehr wichtig. Ein guter Arzt nimmt sich ausreichend Zeit für den Patienten, geht auch auf das Kind und seine Wünsche ein, beantwortet alle Fragen und klärt transparent über die Behandlung und die Kosten auf. Deutet sich an, dass der Kieferorthopäde vor allem auf Gewinn aus ist, weil er zum Beispiel mit einem Behandlungsabbruch droht, wenn man sich gegen die selbst zu finanzierenden Zusatzleistungen entscheidet, sollte man über einen Wechsel nachdenken.

Wer sich dort besser aufgehoben fühlt, kann einen ganzheitlichen Kieferorthopäden aufsuchen, der die klassische Behandlung nach Schulmedizin um naturheilkundliche Verfahren erweitert bzw. ersetzt. Nach Verbandsangaben der naturheilkundlich tätigen Zahnärzte legen diese in der Behandlung den Fokus darauf, dass es wechselseitige Beziehungen zwischen den Zähnen, dem Mundraum und dem gesamten Organismus des Menschen gibt. Beispielsweise geht die ganzheitliche Zahnmedizin davon aus, dass die Entfernung von bleibenden Zähnen durch eine weniger ausgeprägte Nasenatmung zu einer schlechteren Entwicklung des Nasenraumes und in der Folge ebenfalls zu einer schlechteren Entwicklung des Brustraums führt. Daher gehört es zu den Grundsätzen ganzheitlicher Kieferorthopäden, keine gesunden Zähne zu ziehen, wie es ein „klassischer“ Kieferorthopäde vielleicht bei Zahnengstand machen würde. Alternative Zahnärzte behandeln also nicht nur Symptome, sondern schauen ebenso auf die Ursachen. Auch sie arbeiten zur Korrektur von Zahnfehlstellung mit Apparaturen, die man im Mund einsetzen kann, allerdings vorwiegend mit losen und nicht mit festen – mit den o.g. Vor- und Nachteilen. Üblich sind der sogenannte Bionator und die Crozat-Apparatur. Die klassische Therapie ergänzen sie um naturheilkundliche Begleittherapien wie Atemtherapie oder Lymphdrainage. Hier gilt der Grundsatz: Sie behandeln den ganzen Menschen, nicht nur das Gebiss.

Hat man sich für die Therapie und einen Kieferorthopäden entschieden, beginnt die Behandlung. Zunächst werden mit Hilfe verschiedener Untersuchungen Zähne, Kiefer und Kind vermessen. Röntgenaufnahmen gehören ebenso dazu wie Gipsabdrücke der Zähne. Ist noch nicht sicher, wie stark das Kind noch wächst, wird vielleicht auch die Hand geröntgt. Anhand des Verknöcherungsgrads an den Gelenken lässt sich das weitere Wachstum abschätzen. Nach den Befunden stellt der Kieferorthopäde einen detaillierten Heil- und Kostenplan auf. Dieser listet die geplanten Behandlungen und Therapien samt Kosten auf. Daraus können die Eltern auch ablesen, welche Kosten die Kasse trägt, welche sie zunächst selbst bezahlen müssen, aber bei erfolgreicher Therapie erstattet bekommen und welche Leistungen gänzlich privat zu zahlen sind. Der Heil- und Kostenplan wird bei der Krankenkasse eingereicht. Sobald diese ihn genehmigt hat, kann die Behandlung beginnen. In der Regel muss sich das Kind alle vier bis sechs Wochen beim Kieferorthopäden vorstellen, in der Anfangszeit ggf. auch öfter. Die Behandlung dauert im Schnitt vier Jahre, je nach Mitarbeit der Patienten und Befund auch kürzer oder länger. Wird zunächst mit einer losen und dann mit einer festen Spange therapiert, kann auch eine Behandlungspause dazwischen liegen.

Was passiert eigentlich während der Behandlung mit dem Gebiss? Je nach Befund versucht der Kieferorthopäde, das Wachstum von Kiefer und/oder Zähnen zu verlangsamen, zu beschleunigen bzw. in die richtige Richtung zu lenken. Da die Zähne von Natur aus nicht völlig fest im Kiefer verankert sind, sondern sich ohnehin bewegen, kann der Kieferorthopäde diese natürliche Zahnbewegung beschleunigen und lenken. Das Problem dabei: Der Zahn ist von einem sogenannten weichen Faserbündel umgeben, welches durch die Zahnspange gestreckt und gedehnt wird. Kommt die Spange wieder raus, wollen die Faserbündel wieder zurück in ihre ursprüngliche Stellung. Die Folge: Nach Abschluss der kieferorthopädischen Behandlung droht ein Rückfall: Zähne oder Kiefer schieben sich wieder zurück in ihre ursprüngliche Position. Das ist auch ein Grund dafür, warum viele Patienten nach Behandlungsabschluss noch lange einen sogenannten Retainer tragen müssen. Auch hier gibt es unterschiedliche Modelle: Klebedrähte, die von innen auf die Zähne geklebt werden und lose Retentionsspangen, die nachts zu tragen sind.


Herausnehmbare oder feste Spange?

Welche Behandlung für welches Kind die sinnvollste und passende ist, entscheidet der Arzt gemeinsam mit Patient und Eltern. Ob eine herausnehmbare oder feste Spange oder eine Therapie mit beiden Modellen sinnvoll ist, hängt auch vom Befund ab. Wir wollen hier nur die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Modelle vorstellen:

Herausnehmbare Spangen

Geeignet für einfache Fehlstellungen insbesondere während des frühen Zahnwechsels. Muss in der Regel 12 bis 16 Stunden am Tag getragen werden, wird beim Essen und beim Sport herausgenommen.
Vorteile: Zähne sind leichter zu reinigen, geringeres Risiko für Schäden an Zahnwurzel oder Zahnhalteapparat
Nachteile: längere Therapiedauer, begrenzte Wirksamkeit, Schwierigkeiten bei der Aussprache, die Kinder brauchen Disziplin, sie müssen die Spange regelmäßig tragen, aus diesen Gründen hohe Abbruchquote

Feste Spangen/Brackets

Geeignet für alle Fehlstellungen, vor allem bei älteren Kindern.
Vorteile: kürzere und effizientere Therapie, weniger Disziplin erforderlich
Nachteile: Essensreste verfangen sich in den Klammern, Zahnreinigung schwieriger, höheres Kariesrisiko, optisch auffälliger, Risiko von Nebenwirkungen wie Verletzungen an Zahnschmelz oder Zahnwurzel


Zahnreinigung mit Spange

Während der kieferorthopädischen Behandlung ist die Mitarbeit der Patienten ganz elementar. Bei losen Spangen ist wichtig, die Kinder zum regelmäßigen Tragen zu motivieren. Das fällt bei festen Brackets weg, dafür ist aber hier eine gründliche Mundhygiene sehr wichtig. Brackets saugen Essensreste magisch an, diese bleiben dort gern hängen. Daher gilt nicht nur wie sonst: früh und abends putzen. Zusätzlich muss mit Interdentalbürsten der Raum zwischen Bracket-Draht und Zahnoberfläche gereinigt werden. Weil das Problem bekannt ist, wird den Patienten eine Versiegelung der Zähne und eine regelmäßige professionelle Zahnreinigung mit Herausnahme der Drähte empfohlen – Leistungen, die die gesetzliche Krankenkasse nicht übernimmt. Brackets-Träger sollten klebrige, süße Speisen wie Kaubonbons meiden, ebenso sehr hartes Essen, wie feste Brotkanten oder Nüsse.


Risiken einer Zahnspange

Und damit wären wir bei den Risiken und Nebenwirkungen einer Zahnspangen-Behandlung:

  • Röntgenbelastung durch häufiges Röntgen vor und während der Behandlung
  • Karies durch schwierige Zahnreinigung mit Brackets
  • Rückfall: Die Zähne nehmen nach Abschluss der Behandlung wieder ihre ursprüngliche Stellung ein.
  • Zahnfleischprobleme, erstens durch schlechte Mundhygiene, zweitens durch Zahnfleischabbau während der Behandlung
  • Druckschmerzen an den Zähnen durch die Spange
  • Schäden am Zahnschmelz durch die Brackets
  • Schäden an der Zahnwurzel durch den Druck, der auf die Zähne samt Wurzel während der Behandlung ausgeübt wird. Noch Jahre später kann sich die Zahnwurzel als Folge der Behandlung auflösen.

In der Mundgesundheitsstudie 2016 beklagten die Zahnspangenträger zudem folgende Unannehmlichkeiten während der Behandlung: Schmerzen, Spange ging kaputt, ungeplanter Spangenwechsel, Schwierigkeiten beim Essen.