Helden des Alltags

Datum: Montag, 28. Mai 2018 11:51


Zeitaufwand

Wie viel Zeit man in sein Ehrenamt investiert, variiert je nach Funktion, Art der Tätigkeit und natürlich in Abhängigkeit vom persönlichen Zeitbudget. Ein Traineramt ist naturgemäß mit mehr Zeitaufwand verbunden als die Mitarbeit im Elternrat. Laut einer Studie wenden knapp 60 Prozent der Ehrenamtlichen maximal zwei Stunden pro Woche für ihr Ehrenamt auf, 18 Prozent sechs und mehr Stunden.

Gerade junge Familien haben oft genug damit zu tun, Familie und Beruf zu vereinbaren. Platz für ein Ehrenamt bleibt da nur selten. Gleichzeitig sind Menschen unter 49 Jahren jene, die sich relativ häufig engagieren. Dass man sie für ein Ehrenamt gewinnen bzw. nach der Familiengründung halten muss, haben zum Teil auch die Vereine und Verbände erkannt. So hat beispielsweise die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft DLRG in einem ihrer Newsletter die Vereinbarkeit im Ehrenamt zum Thema gemacht. Die DLRG könne beispielsweise Partner und Familie der Lebensretter stärker miteinbeziehen, das brächte mehr gemeinsame Familienzeit und mehr Verständnis durch die Familie. So könnte man auf Tagungen Vorträge oder Schnitzeljagden für die Angehörigen anbieten. Die Idee dahinter: So wie Unternehmen um Fachkräfte konkurrieren und Vereine um Mitglieder, so müssen auch Verbände und Träger immer wieder schauen, wie sie Ehrenämtler gewinnen können.

Alle Studien und Umfragen zum Thema Ehrenamt machen aber auch klar: Wer sich engagieren will, der findet die Zeit und nimmt sie sich. Erstaunlicherweise ist der Anteil der Ehrenämtler unter jenen Menschen, die vermeintlich viel Zeit haben müssten, vergleichsweise gering: Rentner und Arbeitslose engagieren sich deutlich seltener im Verein als Berufstätige. Nach einer Umfrage der Böckler-Stiftung von 2012 steigt mit zunehmender Arbeitszeit auch die Zeit fürs Ehrenamt: Demnach wenden Vollzeitbeschäftigte mit einer effektiven Arbeitszeit von 44 Wochenstunden nochmals knapp vier Stunden pro Woche für ein Ehrenamt auf, fast immer Männer. Dagegen arbeiten Frauen öfter in Teilzeit und engagieren sich seltener. Offensichtlich haben alte Rollenmuster auch Einfluss aufs Ehrenamt: Die Frau kümmert sich um die Kinder und hält dem Mann den Rücken frei für Arbeit und Ehrenamt.
Die Tatsache, dass Arbeitszeit und Arbeitsort in vielen Berufen immer flexibler werden, erleichtert die Bereitschaft für ein Ehrenamt. Wer sich seine Arbeitszeit frei einteilen und auch mal kurzfristig vom Büro fernbleiben kann, engagiert sich eher.

Für Kinder und Jugendliche gilt: Sie investieren heute im Durchschnitt weniger Zeit ins Ehrenamt als noch vor ein paar Jahren. Das liegt vermutlich zum einen an gestiegenen Anforderungen in Schule und Studium (Wechsel zu G8 und zu Bachelor-Studiengängen). Zudem weitet sich die Zahl der Ganztagsangebote an Schulen aus, so dass weniger Zeit für andere Dinge bleibt.

Bleibt die Frage: Warum engagieren sich Menschen freiwillig, warum nehmen sie sich neben Hausaufgaben, Prüfungsvorbereitung, Vollzeitjob, Familie noch Zeit, um anderen Gutes zu tun?


Motive fürs Engagement

Eine sympathische Erkenntnis vorneweg: Wer sich ehrenamtlich engagiert, dem geht es nicht ums Geld oder die Karriere. Finanzielle Motive oder das persönliche Vorankommen haben nur wenige Befragte als wichtigen Grund für ihr Engagement angegeben. Im Freiwilligensurvey gaben nur 10-15 Prozent an, dass sie Aufwandsentschädigung, Geldzahlungen oder Sachzuwendungen erhalten haben.

Die Hauptmotive für ein Ehrenamt lassen sich nicht rationell begründen. Wer sich engagiert, macht das gern, er hat Spaß an seiner Tätigkeit, er möchte seine Umgebung mitgestalten, er sucht Kontakt zu anderen. Ehrenamt kann auch ein Ausgleich sein zu dem, was man bereits zu Hause und auf Arbeit leistet.

Eine Studie der Böckler-Stiftung von 2012 bestätigt diese Tendenz, beleuchtet aber einen weiteren wichtigen Aspekt: Fast jeder zweite Ehrenamtliche engagiert sich, damit Vereine und Organisationen weiter ihre Aufgaben erfüllen können. Ihnen ist sehr bewusst, dass es viele kulturelle und sportliche Angebote ohne Ehrenamtliche nicht gäbe.

Generell lässt sich sagen, dass die Motivation fürs Ehrenamt sehr vielfältig ist. Es gibt durchaus auch Rentner, die sind auf den finanziellen Zuverdienst angewiesen. Und es gibt Eltern, die sich deswegen in der Kita oder Schule engagieren, um die Interessen ihres Kindes zu vertreten. Doch bei den meisten Ehrenamtlichen stehen selbstlose Motive im Fokus. Solchen Menschen ist eine Anerkennung für ihr Engagement wichtig. Sie wollen sehen, dass ihre Aktivität etwas bewirkt, sie wünschen sich Ansehen und Wertschätzung. Das hat die Politik erkannt und reagiert: Es gibt immer mehr institutionalisierte Anerkennungen für Ehrenamtliche – von der Ehrenamtskarte bis zum jährlichen Empfang durch den Bundespräsidenten (siehe Infokasten S. 38). Teilweise haben die Vereine und Institutionen auch selbst Möglichkeiten der Anerkennung für ihre Freiwilligen geschaffen: Das kann ein jährliches Sommerfest als Dankeschön sein. Einige Freiwillige Feuerwehren ermöglichen ihren Mitgliedern, kostenfrei den LKW-Führerschein zu machen. Und manchmal ist es auch nur ein kleiner Präsentkorb, der die Anerkennung ausdrückt. Ganz gleich welche Form der Anerkennung man wählt, sie ist elementar, um Ehrenamtliche bei der Stange zu halten.

Schaut man sich explizit die Daten für Kinder und Jugendliche an, ist die Motivlage ähnlich. Auch bei ihnen steht der Spaß an der Sache im Vordergrund. Stärker als Erwachsene sind ihnen aber auch berufliche Qualifikationen wichtig, die bei der bevorstehenden Jobsuche helfen können: Das können neben Fachwissen aus speziellen Lehrgängen auch allgemeine Fähigkeiten sein, wie Zeitmanagement, soziale Kompetenzen, Belastbarkeit, Führungs- und Organisationsfähigkeit. „Insbesondere jungen Menschen ist es zunehmend wichtig, ihr Engagement als Qualifikationschance zu nutzen“, sagt die Soziologin Martina Gille. Das jugendliche Engagement sei insgesamt ernster geworden. Diesen Fakt könnten Vereine und Organisationen durchaus für sich nutzen, um Freiwillige zu gewinnen, indem sie beispielsweise explizit Qualifizierung und Zertifikate für die Jugendlichen anbieten.


Wertschätzung für Ehrenamtliche

Wie wichtig Anerkennung für Menschen im Ehrenamt ist, hat mittlerweile auch die Politik erkannt. Die jährliche Auszeichnung ehrenamtlicher Bürger durch den Bundespräsidenten mit dem Verdienstorden gehört ebenso dazu wie die Wahl zum Cottbuser des Jahres. Hier werden beispielhaft besonders Engagierte öffentlich geehrt. Eine Würdigung, von der auch alle anderen Ehrenamtlichen profitieren, ist die Ehrenamtskarte, die bereits in vielen Bundesländern etabliert ist. Sie kann unkompliziert beim Land bzw. der zuständigen Kommune beantragt werden. Gegen Vorlage der Karte bekommt man dann Ermäßigungen z.B. im Museum, Schwimmbad, Zoo oder bei beteiligten Geschäften, Dienstleistern und Restaurants.

Voraussetzungen Ehrenamtskarte Berlin-Brandenburg:

  • ehrenamtliches Engagement von mind. 200 Stunden pro Jahr
  • Ausübung des Ehrenamts in Brandenburg bzw. Berlin
  • die Absicht, das Ehrenamt fortzusetzen
  • keine finanzielle Aufwandsentschädigung mit Ausnahme von Kostenerstattung


Voraussetzungen Sächsische Ehrenamtskarte:

  • Dauer des Engagements vor Antragstellung: mindestens 1 Jahr
  • Mindestalter: 16 Jahre
  • Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt: Freistaat Sachsen
  • Wohnsitzgemeinde beteiligt sich an der Vergabe der Karte


Jugendleitercard Juleica

Für den Bereich der Jugendarbeit gibt es eine eigene Karte, die zugleich als Qualifikationsnachweis dient: die Juleica. Mit ihr können sich Jugendleiter ab 16 Jahren ausweisen, wenn sie zuvor entsprechende Schulungen absolviert haben. Diese Schulungen sind recht umfangreich und umfassen Themen wie Pädagogik, Recht, Erste Hilfe, Demokratiebildung, Ordnung & Finanzen. Fast alle Jugendverbände nutzen die Juleica-Karte bzw. die Juleica-Schulungen für ihre Jugendleiter. Inhaber der Juleica erhalten ebenfalls Vergünstigungen und können die Ehrenamtskarte beantragen. Heute besitzen mehr als 100.000 Ehrenamtliche eine gültige Juleica (Brandenburg: 1090, Sachsen: 4109). Gut 60 Prozent der Karteninhaber sind zwischen 16 und 25 Jahre alt.


www.ehrenamt-in-brandenburg.de/ehrenamtskarte 

www.ehrenamt.sachsen.de/ehrenamtskarte.html