"Für Familien ist ein naturnaher Garten optimal"
Ein Naturgarten hat gerade für Kleingärtner mit Kindern viele Vorteile. Gartenexpertin Marja Rottleb vom NABU hat sie uns im Interview verraten.
Was zeichnet denn einen naturnahen Garten aus?
Das sind insbesondere drei Merkmale: zum einen Artenvielfalt, d.h. Wildpflanzen, heimische Arten und naturnahe Sorten statt Zierpflanzen. Weiterhin der Verzicht auf Gift und auf Erde mit Torf.
Warum sind denn heimische Pflanzen so wichtig?
Heimische Pflanzen sind eine wichtige Nahrungsgrundlage für die Insekten, beide haben sich über Jahrmillionen aneinander angepasst. Ideal sind sogar gebietsheimische Pflanzen, da sie genetisch in die Region passen, sie sind an den Standort mit seinem speziellen Boden angepasst. Leider gibt es wenige Hersteller regionaler Pflanzen. Die findet man z.B. in einer guten Gärtnerei oder Baumschule. Alternativ kann man solche Pflanzen über das Internet beziehen.
Welche Pflanzen sind für den sandigen Lausitzer Boden besonders gut geeignet?
Sandige Böden sind gut für Pflanzen wie Sandnelke, Kugelblume, Fingerkraut, Genfer Güsel, Färber Hundskamille und für Pflanzen, die am Straßenrand wachsen wie Wegwarte, Kornblume, Schafgarbe. Wer wissen möchte, welche Pflanzen im Boden des eigenen Gartens gute Voraussetzungen finden, der achtet am besten beim Spaziergang auf sogenannte Zeigerpflanzen. Das sind jene Pflanzen, die auf heimischem Boden wachsen und sich den Standortbedingungen wie Boden, Licht und Niederschlag angepasst haben und die Gegebenheiten vor Ort auch anzeigen. Die finden dann in der Regel auch im heimischen Garten gute Voraussetzungen.
Wenn der eigene Garten bisher eher nicht in die Kategorie naturnah fällt: mit welchen einfachen Tipps lässt sich das schnell ändern?
Der erste Tipp ist der Verzicht auf Gift und Torf. Als nächstes kann man aufhören, manche Ecken zu pflegen, also nicht mehr in die letzte Ecke mit dem Rasenmäher zu gehen, sondern Unkraut zuzulassen und geschnittenes Totholz dort abzulagern.
Kann man im Garten wirklich auf Gift verzichten?
Schädlinge hat vermutlich fast jeder Gartenbesitzer schon gehabt. Es braucht kein Gift, die Natur hat auf alles eine Antwort. Wenn man z.B. Blattläuse hat, dann ist das ein Zeichen dafür, dass etwas nicht im Einklang ist. Dann fehlen Nützlinge wie Florfliegen, Marienkäfer Laufkäfer. Letztere fressen auch Schneckeneier. Die Insekten brauchen aber Vielfalt und zum Überwintern Totholz und Efeu an der Hausfassade. Vögel und Insekten sind ebenfalls Nützlinge, die sich mit einer Nisthilfe anlocken lassen. Generell gilt: Vielfalt hält tierische Schädlinge in Schach.
Und was hilft bei Pilzen?
Bei Pilzen ist es wichtig Pflanzen gut zu stärken: Dafür brauchen sie einen geeigneten Standort und eine ausgewogene Düngung, und sie müssen richtig gegossen werden. Wenn dennoch ein Pilz kommt, kann eine Jauche aus Ackerschachtelhalm oder aus Brennnesseln helfen.
Was ist mit Dünger?
Wir empfehlen, möglichst keinen synthetischen Dünger zu kaufen, da er energieintensiv hergestellt wurde und nicht alle nötigen Nährstoffe enthält, da fehlen oft Spurenelemente. Sie können auch leicht überdosiert werden. Besser ist ein Komposthaufen, denn er enthält genau die Nährstoffzusammensetzung, die der Garten braucht. Alternativ kann man organischen Dünger wie Hornspäne oder Brennnesseljauche nutzen. Als Gründüngung eignet sich im Winter Feldsalat, im Sommer Phacelia bzw. Bienenfreund.
Wie wird ein Garten tierfreundlich?
Für Igel und Reptilien sind Maschendrahtzäune problematisch, ihnen sollte man als Durchlass ein kleines Loch lassen. Wichtig ist eine Vielzahl heimischer Pflanzen wie Malve, Fetthenne oder Storchschnabel, damit Insekten Nektar und Pollen finden. Insekten brauchen auch Raupenfutter wie Brennnesseln. Ein Teich oder eine kleine Wasserstelle zieht im Sommer Vögel und Insekten an. Beerentragende Gehölze mit Dornen eignen sich für Vögel zum Verstecken. Man sollte samentragende Pflanzen wie Sonnenblumen, Disteln, heimische Rosenarten oder Wilde Karde anpflanzen. Dabei ist es ganz wichtig, die Stängel und Samenstände erst im späten Frühjahr abzuschneiden und nicht schon im Herbst, weil dort viele Insekten überwintern. Dieser Pflegetipp wird oft vergessen und ist im Kleingarten nicht immer einfach umzusetzen.
Damit sprechen Sie eine Herausforderung für naturnahe Gärtner an: Wie lässt sich der Naturgarten mit den oft strengen Anbau-Vorgaben der Kleingartenvereine vereinbaren?
Ein klassischer Kleingarten hat ja oft die Dritteleinteilung, unter Gartennachbarn wird stark auf die Einhaltung geachtet. Das macht es natürlich schwieriger. Dennoch kann jeder auf chemische Mittel und auf Torf verzichten und einen Kompost anlegen. Schonende Bodenbearbeitung und das Beachten von Mischkultur und Fruchtfolge ist ebenfalls möglich. Es muss nicht immer die klassische Hecke aus Thuja sein. Es gibt kreative Alternativen zur Gartenabgrenzung: eine Benjeshecke aus Totholz, eine Kletterrose, oder einen Weidenzaun aus Weidenruten. Die bieten allesamt mehr Lebensraum für Tiere. Und natürlich kann man sich im Verein für etwas mehr Vielfalt einsetzen. Warum soll es nicht wenigstens eine wilde Ecke geben wo man das Gras mal etwas höher wachsen lässt und Totholz liegen lässt?
Wir haben jetzt über die Vorteile eines naturnahen Gartens für die Tiere geredet. Was haben denn Gartenbesitzer davon?
Wenn man Kinder hat, ist ein Naturgarten der optimale Garten, da er giftfrei ist. Die Kinder haben mehr Raum für kleine Entdeckungen und Mini-Abenteuer als in einem sterilen aufgeräumten Garten. Und da er pflegeärmer ist, haben Eltern mehr Zeit für anderes, z.B. zum Spielen mit den Kindern.
Haben Sie zum Schluss noch Tipps für den naturnahen Mini-Garten auf dem Balkon oder gar Fensterbrett?
Heimische Pflanzen kann man natürlich im Kübel pflanzen, da sollte man trockenresistente Pflanzen wählen, da ein Balkon ja ein Extrem-Standort ist. Geeignet sind z.B. Dost, Katzenminze, wilder Majoran. Wer Kräuter hat, sollte diese mal blühen lassen. Die Blüten von Schnittlauch, Thymian, Salbei oder auch Lavendel ziehen Insekten an. Im Sommer kann man eine Vogeltränke für Vögel und Insekten aufstellen. Und im Winter kann man die Vögel füttern. Nisthilfen lassen sich auch am Balkon befestigen. Und natürlich gilt auch für den Balkon: auf Gift und Torf verzichten.