Krieg der Sternchen

Datum: Montag, 13. Dezember 2021 11:46

Wer legt fest, wie wir schreiben?

Doch wer entscheidet eigentlich darüber, wie wir sprechen und schreiben? Während im privaten Bereich jeder und jede frei von Vorgaben sprechen und schreiben kann (denn wir leben eben nicht in einer Sprachdiktatur), gibt es für Institutionen wie Schulen und Verwaltungen offizielle Normen für die deutsche Rechtschreibung, auch etliche Verlage und Medien orientieren sich daran.

Diese Vorgaben stehen im Amtlichen Regelwerk. Das ist – entgegen der weitverbreiteten Meinung – nicht der Duden. Der ist noch immer das meist verkaufte Rechtschreibwörterbuch und war bis 1996 offiziell verbindlich in orthografischen Zweifelsfällen. Seit der Rechtschreibreform gibt der Rat für deutsche Rechtschreibung das Amtliche Regelwerk heraus. Es umfasst einen Regelteil und ein Wörterverzeichnis mit etwa 12.000 Einträgen. Es ist online kostenfrei abrufbar und im Buchhandel in der Auflage von 2006 erhältlich. Der Rat für deutsche Rechtschreibung ist damit die wichtigste Instanz für die Regeln der deutschen Orthografie. Daher hat seine offizielle Empfehlung zu gendergerechter Sprache, die im März 2021 veröffentlicht wurde, durchaus Gewicht. Diese Empfehlung, an die sich offizielle Einrichtungen halten müssen, mahnt zur Zurückhaltung bei gendergerechter Sprache, wenn sie zulasten der Lesbarkeit geht. Vor diesem Hintergrund ist die Nutzung von Gender-Stern, Gender-Gap, Doppelpunkt und anderen verkürzenden Formen nicht regelkonform. Der wichtigste Grund dafür ist die Lesbarkeit und Verständlichkeit. Ziel dieser Regelung ist es, bestimmte Bevölkerungsgruppen nicht auszuschließen. Dazu gehören Grundschulkinder, die das Lesen und Schreiben erst erlernen und festigen müssen, aber auch Erwachsene, die selbst einfache Texte kaum lesen können, das betrifft immerhin 12 Prozent der Erwachsenen. Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, würde man mit Gender-Stern und Co. ebenfalls ausschließen. Immer mehr Menschen nutzen im Internet die Möglichkeit, sich Texte vorlesen zu lassen, das gilt vor allem für Ältere. Auch hier muss die Verständlichkeit im Vordergrund stehen.

So hitzig die Debatte ist, so unterschiedlich waren erwartungsgemäß auch die Reaktionen auf diese offizielle Empfehlung des Rates. Dessen Geschäftsführerin Dr. Sabine Krome übt sich in Gelassenheit: „Das Thema ist sehr komplex, das muss man differenziert betrachten. Wir betrachten das Thema von den Aspekten der Rechtschreibung und Verständlichkeit aus, das war keine sprachpolitische Entscheidung.“ Es gehe vor allem darum, das Erlernen der deutschen Sprache nicht noch mehr zu erschweren, so Krome: „Es ist zu beobachten, dass Rechtschreibkenntnisse in den vergangenen Jahren im Zuge anderer gesellschaftlicher Entwicklungen ohnehin zurückgegangen sind.“

Hauptanliegen ist es also, die deutsche Sprache nicht noch schwerer zu machen. Es geht nicht darum, bestimmte Personen und Gruppen von Schreibenden auszuschließen. Der Rat für deutsche Rechtschreibung bekräftigt in der Empfehlung daher, dass allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache begegnet werden soll und sie sensibel angesprochen werden sollen. „Dies ist allerdings eine gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Aufgabe, die nicht allein mit orthografischen Regeln und Änderungen der Rechtschreibung gelöst werden kann“, so die Empfehlung. Die Schulen können und sollen das Thema gendergerechte Sprache durchaus im Unterricht thematisieren, so Geschäftsführerin Krome. „Das kann aber auch auf historischer und kultureller Ebene eingeordnet werden, z.B. mit Blick auf die Rolle der Frau in der Gesellschaft.“

Praktisch heißt das für die Schulen, aber auch Verwaltungen: Bezeichnungen wie „Schüler und Schülerinnen“ sind also weiter möglich, Schüler*innen, SchülerInnen, Schüler_innen oder Schüler:Innen jedoch dürfen nicht genutzt werden, auch nicht in Lehrmaterialien wie Schulbüchern oder Arbeitsblättern. Kurz nach der Empfehlung im März reagierten die ersten Kultusministerien mit entsprechenden Mitteilungen. Die waren angesichts der klaren Vorgaben aus Mannheim erstaunlich unterschiedlich. Während das CDU-geführte Bildungsministerium in Sachsen die Schulen aufgefordert hat, die amtlichen Regeln eins zu eins umzusetzen, will das Grünen-geführte Kultusministerium in Baden-Württemberg den Schulen die Nutzung von Gender-Stern und Co. freistellen. „Das ist so mit dem Statut des Rats nicht vereinbar“, sagt Dr. Sabine Krome vom Rat für Rechtschreibung. „Die Empfehlungen des Rats müssen von den staatlichen Stellen aller sieben Länder mit Deutsch als Amtssprache beschlossen werden, sie haben Verbindlichkeit für den gesamten deutschen Sprachraum. Das Amtliche Regelwerk sieht bisher keine typografischen Zeichen im Wortinneren vor.“