Das Gendersternchen spielt an den meisten Schulen keine Rolle – sehr wohl aber wird über Geschlechterrollen, Diversity und Sprachwandel diskutiert.
Diese Regeln gelten an den Schulen
Das Gendersternchen spielt an den meisten Schulen keine Rolle – sehr wohl aber wird über Geschlechterrollen, Diversity und Sprachwandel diskutiert.
Wir haben daher alle 16 für die Schulen zuständigen Ministerien in Deutschland angeschrieben und nach der Umsetzung der offiziellen Empfehlung gefragt, alle Länder außer Bremen und Thüringen haben geantwortet, hier ihre Antworten.
Brandenburg: Das Bildungsministerium (als Verwaltung) sowie die Schulen sind zu geschlechtersensibler Sprache wie auch zur Beachtung der Normen der deutschen Rechtschreibung verpflichtet. Für die Schulen wie für die Verwaltung gilt das Amtliche Regelwerk der Rechtschreibung und dieses sieht keine Verwendung von Sonderzeichen im Wortinnern zur Bezeichnung von Geschlechteridentitäten vor. Praktisch bedeutet das: keine Verwendung von Gender*-Sternchen, Binnen-I, Schrägstrich / oder Auslassungen. Die weibliche und die männliche Form sind auszuschreiben, die Reihenfolge kann wechseln. Da wo sinnvoll und gebräuchlich, können Alternativen genutzt werden, wie beispielsweise Lehrkräfte, Studierende, Auszubildende usw. Lehr- und Lernmaterialien werden in der Regel von Verlagen herausgegeben, also von privatwirtschaftlich agierenden Unternehmen. Jede Schule entscheidet im Rahmen ihrer Selbstständigkeit und nach Rücksprache mit den schulischen Gremien, welche Lehr- und Lernmaterialien sie anschafft. Darauf hat das Bildungsministerium keinen Einfluss. Es veröffentlicht indes alljährlich eine Liste zugelassener Schulbücher.
Sachsen achtet auf die Umsetzung der Vorgaben und schreibt dazu: Die Verwendung von Sonderzeichen, wie Gender-Stern, Gender-Doppelpunkt, Gender-Unterstrich oder Doppelpunkt im Wortinneren, erfüllt weder die Kriterien für eine gendergerechte Schreibung noch entspricht sie den aktuellen Festlegungen des Amtlichen Regelwerks, welches die Grundlage für die deutsche Rechtschreibung bildet und somit auch für die Schulen gilt. Diese Zeichen sind daher im Bereich der Schule und auch in offiziellen Schreiben von Schulen nicht zu verwenden. Dennoch sei das Ziel beim Lehren und Lernen an den Schulen eine geschlechtergerechte und verständliche Sprache: „Es geht darum, alle Geschlechter auf respektvolle Art und Weise anzusprechen und sichtbar zu machen, ohne die amtlichen Regelungen zur Rechtschreibung zu verletzen. Unsere Schulen und vor allem unsere Schülerinnen und Schüler brauchen verlässliche Regeln. Diese gibt es und wir setzen sie um.“
Baden-Württemberg orientiert sich an den eingangs vorgestellten Vorgaben und wendet diese auch für die Korrekturen von Aufsätzen an. Die Beurteilungs- und Korrekturrichtlinien für die Abschlussprüfungen enthalten allerdings keine Aussagen zum Gendern. Generell, so das Kultusministerium, sei es ein Anliegen, dass Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg für geschlechtergerechte Sprache sensibilisiert werden. In der Schulbuchzulassungsverordnung des Landes betreffen zwei der fünf Vorgaben das Thema „gendergerechte Sprache“. Demnach ist auf sprachliche Klarheit und die korrekte Anwendung der Rechtschreibung entsprechend der Vorgaben des Rats für deutsche Rechtschreibung zu achten. Weiterhin soll das Buch ausreichend Identifikationsmöglichkeiten bieten und stereotype Rollenzuschreibungen vermeiden, das jedoch nicht nur über die Sprache, sondern auch über die Bildauswahl und die Vermeidung von Klischees. Die Aufregung um die Aussage von Kulturministerin Theresa Schopper sieht die Pressestelle gelassen und keinen Verstoß gegen offizielle Richtlinien: „Im Unterricht können Lehrkräfte mit ihren Schülerinnen und Schülern vereinbaren, wie und in welcher Form sie geschlechtergerechte Sprache benutzen möchten. Das ist jedoch nichts Neues: Es gibt keinen neuen Erlass, Verordnung oder Entscheidung dazu – die Ministerin hat auch keine neue Verfahrensweise angekündigt. In dem von Ihnen angesprochenen Interview hat die Ministerin den Status Quo aufgegriffen und gesagt, dass es gut sei, wenn Schülerinnen und Schüler in der Schule für geschlechtergerechte Sprache sensibilisiert würden.“
Bayern hat als einziges Bundesland darauf verwiesen, dass die eingangs vorgestellten Regelungen auch für Schulbücher greifen: „Grundlage für die Rechtschreibung in Schulen, öffentlicher Verwaltung und Rechtspflege ist das Amtliche Regelwerk für die deutsche Rechtschreibung, das vom Rat für deutsche Rechtschreibung herausgegeben wird. Die in Bayern zugelassenen Schulbücher unterliegen ebenfalls diesen amtlichen Regelungen.“
Berlin: Dort gilt als rechtliche Grundlage die Gemeinsame Geschäftsordnung der Berliner Verwaltung, d.h. alle Schreiben werden mit weiblicher und männlicher Form gefasst. Zur Schule heißt es weiter: „Im Unterricht wird die Schreibweise nach Duden gelehrt und nur diese, d.h. alle männlichen und weiblichen Bezeichnungen gemäß Schreibweise des Duden sind richtig. Das heißt aber auch, dass Gendersternchen, Unterstrich usw. nicht als normgerechte Schriftsprache gelehrt werden, aber natürlich als gesellschaftliches Phänomen untersucht und besprochen werden können. Im Sinne eines zeitgemäßen Unterrichts ist das Aufgreifen von Genderfragen ausdrücklich erwünscht und durch unsere übergreifenden Themen im Rahmenlehrplan (Gleichstellung und Gleichberechtigung der Geschlechter) auch als Vorgabe verortet.“
Hamburg: Für den Unterricht und Leistungskontrollen gelten die Vorgaben des Dudens bzw. der Gesellschaft für deutsche Sprache. Für alle anderen Bereiche, z.B. externe und interne Kommunikation, Homepage und andere Veröffentlichungen gilt, dass darüber hinaus auch das Gendern mit Sonderzeichen möglich ist, allerdings die jeweiligen Zielgruppen im Blick behalten werden sollen, also Verständlichkeit berücksichtigt werden soll.
Hessens Kultusministerium arbeitet aktuell an einem Erlass für die Schulen, in dem der Themenkomplex gendergerechte Sprache im Mittelpunkt steht: „Hauptaugenmerk ist dabei, dass die Schülerinnen und Schüler die korrekte Rechtschreibung lernen und diese eingehalten wird.“
Mecklenburg-Vorpommern verweist bei diesem Thema auf zwei Aspekte: die rechtlichen Rahmenbedingungen und Gendern als gesamtgesellschaftlicher Prozess. Die Lehrkräfte sind gehalten, sich in der gendergerechten Kommunikation mit den Schülerinnen und Schülern und den Eltern an den gesetzlichen Beschlüssen zu orientieren und sie sind dazu verpflichtet, diese in alle Bereiche des Schulalltags zu implementieren. Zudem ist das Gendern als gesamtgesellschaftlicher Prozess Teil des Sprachwandels und hat somit Eingang in die geltenden Bildungsziele gefunden. So sind beispielsweise unterschiedliche Aspekte und Formen des Genderns in den Rahmenlehrplänen wiederzufinden.
Nordrhein-Westfalen: Dort gilt für Schulen neben den Vorgaben des Rats der deutschen Rechtschreibung das Landesgleichstellungsgesetz, dass eine geschlechtergerechte Sprache empfiehlt. Weiter heißt es aus dem Schulministerium: Es „setzt sich für die Förderung von Akzeptanz geschlechtlicher Vielfalt sowie für den Abbau von Diskriminierung, auch gegenüber nicht-binären Menschen, ein. Dies betrifft auch den Bereich der Lernmittel. So geben die Prüfkriterien für Lernmittel des Ministeriums für Schule und Bildung unter anderem vor, dass Lernmittel frei von jeglicher Form von Diskriminierung sein müssen. Des Weiteren müssen sie Menschen mit unterschiedlichen Diversitätsmerkmalen in angemessenem Umfang sowie klischeefrei und vielfältig repräsentieren. Die gesellschaftlich kontrovers geführte und noch nicht abgeschlossene Debatte zu Schreibweisen, die nicht-binäre Geschlechter sprachlich sichtbar machen, wird vom Ministerium für Schule und Bildung intensiv beobachtet.
Niedersachsen: Von der Pressestelle heißt es auf unsere Nachfrage nach Vorgaben durch das dortige Kultusministerium lapidar: „Derlei Vorgaben gibt es seitens des Kultusministeriums nicht.“
Rheinland-Pfalz hat bereits seit 1995 eine Verwaltungsvorschrift „Geschlechtergerechte Amts- und Rechtssprache“. Darin heißt es: „Die Amtssprache und die Rechtssprache müssen geschlechtergerecht sein. Ihre geschlechtsgerechte Ausgestaltung trägt dazu bei, den Grundsatz der Gleichbehandlung von Frau und Mann zu verwirklichen.“ Darüber hinaus gibt es seitens des Ministeriums für Familie, Frauen, Integration und Verbraucherschutz eine Handreichung „Geschlechtergerechte Sprache“. Aus den Schulen heraus gebe es zum Thema gendergerechte Sprache bislang nur wenige Rückmeldungen. Klar sei aber auch, dass Schülerinnen und Schüler mit dem Thema in Berührung kommen und sie damit umgehen können sollen. Das Land wünscht sich eine gemeinsame Festlegung aller Länder in dieser Frage.
Schleswig-Holstein achtet auf die Einhaltung der amtlichen Regeln des Rates für deutsche Rechtschreibung im Unterricht. Dies bedeutet für die Schulen, dass – wie bei anderen Verstößen gegen die Rechtschreibung auch – die Verwendung von verkürzten Formen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen in schriftlichen Arbeiten von Schülerinnen und Schülern, in denen die Bewertung der Sprachrichtigkeit in die Leistungsbewertung eingeht, beim ersten Auftreten als Fehler markiert und anschließend als Folgefehler gekennzeichnet wird. Möglich sind die jeweils ausgeschriebene weibliche und männliche Form sowie eine neutrale Variante: Expertinnen und Experten und beispielsweise Studierende. Diese Regelungen beziehen sich auf das Erlernen und die Rechtschreibung der deutschen Sprache im Unterricht. Lehrmaterialien werden in Schleswig-Holstein über die Schule ausgewählt, Regelungen von Landesseite gibt es nicht.
Sachsen-Anhalt nimmt andere rechtliche Grundlagen als Basis für die Schulen: Die Regelungen zur gendergerechten Sprache in offiziellen Dokumenten und im Schriftverkehr – und damit auch im Bereich Schule – richten sich nach den gültigen Rechtsvorschriften des Landes Sachsen-Anhalt. Es gelten das „Gesetz zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache des Landes Sachsen-Anhalt“ aus dem Jahr 1992 (Nebeneinander von weiblicher und männlicher Sprachform – also voll ausgeschriebene Paarformeln – oder Auswahl einer nicht geschlechtsbezogenen Sprachform) sowie die Grundsätze der Rechtsförmlichkeit (gültig seit 28.10.2014). Der Landtag hat im Jahr 2018 beschlossen, dass die bestehenden rechtlichen Vorgaben zur sprachlichen Gleichstellung derzeit ausreichend sind.
Saarland: Das dortige Ministerium für Bildung und Kultur MBK macht keine Vorgaben und nutzt sehr wohl das Gender-Sternchen, zumindest intern. Konkret heißt es aus der Pressestelle: „Es ist Querschnittsaufgabe im MBK, auf geschlechtergerechte Sprache zu achten und damit auch als Vorbild für die Arbeit in unseren Schulen zu dienen. In der internen Kommunikation gendern wir grundsätzlich mit *, auf unseren Webseiten mit Nennung weiblicher und männlicher Form, wegen der Barrierefreiheit. In den Veröffentlichungen des Ministeriums sowie in Rundschreiben, Erlassen und anderen für die Öffentlichkeit bestimmten Texten wird streng darauf geachtet, sowohl die männliche wie auch die weibliche Form immer dann gesondert aufzuführen, wenn es keine geschlechterneutrale Form gibt. Um dem Anspruch gerecht zu werden, alle Geschlechter zu berücksichtigen (m/w/d), wird auch hier das Gender-Sternchen eingesetzt (z.B. Schüler*innen). Eine geschlechtergerechte Sprache und die damit einhergehende Akzeptanz lässt sich nicht verordnen, sondern ist das Ergebnis einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung. Eine Pflicht zum Gendern im Unterricht gibt es daher nicht. Wir versuchen aber in unserer täglichen Kommunikation als Bildungsministerium zu einem Bewusstseinswandel beizutragen.“