Krieg der Sternchen

Datum: Montag, 13. Dezember 2021 11:46


Wie stark gendern die Medien? Zumindest in Überschriften gestaltet es sich schwierig.

Gendergerechte Sprache in den Medien

Einen vermutlich noch viel größeren Einfluss als diese Institute haben die Medien auf die Entwicklung und die Nutzung von Sprache. Durch ihre breite Öffentlichkeit wird ihre Sprech- und Schreibweise vergleichsweise stark wahrgenommen. Medien sind daher ein Gradmesser für die Relevanz und Akzeptanz gendergerechter Sprache. Als Petra Gerster, ehemalige Nachrichtensprecherin beim ZDF, anfing in der „heute“-Sendung die Genderlücke zu sprechen, sorgte das für viel Aufsehen. Sie erhielt nach eigenen Angaben zahlreiche wütende Mails. Doch wie so oft trat irgendwann Gewöhnung ein, die Zahl der kritischen Mails ging mit der Zeit deutlich zurück. Die Entscheidung dazu hatte sie selbst getroffen. Die wenigsten Medien machen der Redaktion verpflichtende Vorgaben. Hier ein Überblick über den Umgang ausgewählter Medien mit gendergerechter Sprache:

Die Nachrichtenagenturen wie dpa, AFP und Reuters haben im Juni gemeinsame Leitlinien zu diskriminierungssensibler Sprache veröffentlicht. Demnach wird das generische Maskulinum in kompakter Nachrichtensprache noch vielfach verwendet, soll aber schrittweise zurückgedrängt werden. Ob die Nachrichtenagenturen in einigen Jahren ganz darauf verzichten können, hänge von der weiteren Entwicklung der Sprache ab. Solange nicht klar ist, ob und welche Sonderzeichen wie Gendersternchen sich durchsetzen, wird darauf verzichtet. Stattdessen sollen andere Formen wie Studierende oder „ärztlicher Rat“ statt „Rat des Arztes“ genutzt werden.
Die Lausitzer Rundschau hat das Thema in der Redaktion in den vergangenen Monaten häufiger diskutiert: „Wir empfehlen den Redakteurinnen und Redakteuren, sich an den Leitlinien der Nachrichtenagenturen für diskriminierungssensible Sprache zu orientieren. Bei unseren redaktionellen Texten benutzen wir keine Gendersternchen oder das Gender-Gap, kein Binnen-I oder Schrägstrich- bzw. Klammerschreibweisen.“

Die Sächsische Zeitung teilt auf lausebande-Anfrage mit: Das Thema wird in der Redaktion regelmäßig diskutiert, eine Entscheidung im Sinne von Regelwerk oder Leitlinien gibt es bislang nicht. Die Chefredaktion tendiert dazu, zunächst ein belastbares Meinungsbild aus der Leserschaft zu gewinnen, also von den Menschen, für die sie schreiben. Und dies durchaus differenzierend zwischen Print und digital mit ihrem jeweils unterschiedlichem Publikum.

Vom Regionalfernsehen LTV heißt es auf unsere Nachfrage: „Die oberste Leitlinie ist, dass wir gendergerechte Sprache in jedem Fall benutzen möchten. Da es für unser Empfinden etwas unglücklich klingt, im Fernsehen die Version mit dem *innen zu nutzen, haben wir uns geeinigt in den Texten jeweils beide Versionen zu nennen (also Cottbuserinnen und Cottbuser). An den Stellen, wo eine Alternative möglich ist, die beide Geschlechter mit einschließt (z.B. Nutzende anstatt Nutzerinnen und Nutzer), versuchen wir, diese Begriffe zu verwenden.“

Der rbb bemüht sich grundsätzlich um eine gendersensible, verständliche und zugewandte Sprache. Die konkrete Umsetzung des Genderns bleibt den Redaktionen überlassen. Sie entscheiden mit Blick auf die jeweilige Zielgruppe über die Verwendung des gesprochenen Gendersternchens. „In allen anderen Nachrichten und ebenso in der Unternehmenskommunikation des rbb werden Gendersternchen, Doppelpunkt oder Binnen-I nicht verwendet. Wir legen großen Wert auf Verständlichkeit. Deshalb bevorzugen wir hier, beide Geschlechtsformen oder genderneutrale Sprache zu nutzen.“

Der Radiosender Fritz des rbb war einer der ersten, der sich bewusst für das Mitsprechen des Gender-Gaps entschieden hat. Bereits seit Herbst 2020 wird beim Sprechen die entsprechende kurze Pause gelassen. Begründet wurde das mit der recht jungen Zielgruppe und Redaktion des Senders, die beide sehr wohl Wert auf gendergerechte Sprache legen. Von der Zielgruppe kam dann auch überwiegend Zustimmung.

Beim MDR regelt ein „Leitfaden für einen diskriminierungsfreien und geschlechtergerechten Sprachgebrauch“ das Thema. Das Papier verweist darauf, dass durch die Sprache in Programmen und auf Webseiten niemand diskriminiert werden soll. Gender-Sternchen, Binnen-I oder andere Sonderschreibweisen aber hat das Direktorium abgelehnt. Grundsätzlich empfiehlt der MDR-Leitfaden den Mitarbeitenden, nach kreativen Lösungen zu suchen und die alleinige Verwendung des generischen Maskulinums zu vermeiden.

Der Spiegel empfiehlt in seinen zuletzt Anfang 2020 aktualisierten Standards auf die alleinige Verwendung des generischen Maskulinums zu verzichten. Stattdessen sei angestrebt, in Texten beide Geschlechter abzubilden. Denkbar sei die Nennung beider Geschlechter oder die Nutzung geschlechtsneutraler Varianten wie Studierende.

Die taz macht der Redaktion keine Vorschriften. Dennoch finden sich in fast allen Artikeln gendergerechte Formen von Substantiven, wobei die Vielfalt groß ist: Politiker:innen, Leser*innen, MinisterpräsidentInnen oder auch einfach nur Zuschauer, denn nicht alle müssen und wollen mitmachen.

Das ZDF teilt das Anliegen einer geschlechtergerechten Ansprache. Es stellt der Redaktion und der Moderation frei, dafür sprachliche Mittel zu finden. Es gibt keine Vorgabe, in ZDF-Sendungen zu gendern, aber auch keine Verbote.

Die ARD bemüht sich in allen Sendungen des Ersten um eine geschlechtergerechte Sprache, von der sich möglichst alle Zuschauerinnen und Zuschauer angesprochen fühlen. In den Nachrichtensendungen von ARD aktuell wird der Genderstern nicht mitgesprochen, weil er derzeit nicht dem allgemeinen Sprachgefühl entspreche.