Kolumne :: Seite 54
lausitzDADDY
Innenansichten eines verzweifelten Vaters
Sinn, auch wenns dann länger wehtut. Klar geworden
ist mir das, als unser Großer, der seit seinem Schul-
abschluss schon seine eigene Wohnung zumüllen
darf, eine kleine ambulante Operation hatte. Bereits
im Vorfeld machte er uns die Tragweite des Eingriffs
deutlich, der nach Dr. House und dem gesamten
Team von Greys Anatomie schrie. Stattdessen führte
ein namenloser Lausitzer Chirurg den Eingriff durch,
am Fließband mit drei weiteren Patienten. Eine Frau
mittleren Alters und zwei Seniorinnen hatten die
gleiche, „schwerwiegende“ OP zu überstehen. Nach
etwas Ruhezeit sollte unser Großer abgeholt werden
– natürlich packten wir die ganze Familie ein, um
den Überlebenden gebührend zu empfangen und
auf seinem Leidensweg zu begleiten. Zuerst kam die
Frau aus dem Ruhezimmer gestiefelt, gefolgt von den
zwei Seniorinnen – dann lange Zeit nichts. Eine halbe
Stunde später kam eine Schwester und schickte uns
erst einmal nach Hause „der junge Mann braucht
sicher noch etwas, er leidet gar sehr“. Zwei Stunden
später durften wir ihn dann abholen – und natürlich
hatte er die härteste Operation, musste sogar zusätz-
lich narkotisiert werden und ach, alles tat viel mehr
weh als üblich.
Ganz ehrlich: ich beneidete ihn. Auf der anderen Sei-
te war ich auch stolz, denn ich erkannte: mein Junge,
jetzt bist du zum richtigen Mann geworden. Meine
bessere Hälfte hatte – wie bei Müttern üblich – diesen
Transformationsprozess offensichtlich noch nicht re-
alisiert und war eher besorgt um ihr großes Kind. So
fuhren wir ihn heim zu uns und nicht in seine Bude
– und er durfte auf dem Sofa vorm Fernseher so rich-
tig leiden. Er bekam Tee ans Sofa, Schokolade, Kek-
se, alles, was er wollte. Am Folgetag empfand ich das
andauernde Leiden dann aber selbst als ungerecht
und sagte, er solle nicht mehr so herumjammern.
Darauf kam meine Kleine gleich zur Verteidigung
ihres großen Bruders in die Stube gerannt und sagte
„Mensch Papa, woher willst du das wissen, du bist ja
auch noch niiieee so schlimm krank gewesen!“. Tja
Männer, das hat man nun davon, wenn man sich das
übliche Leiden beim Kranksein vermiesen lässt. Viel-
leicht versuche ich beim nächsten Mal doch wieder
den Haushaltsturbo zu ignorieren und einfach mal so
richtig leidvoll ums Überleben zu kämpfen.
Euer lausitzDADDY
Männer sind ja nicht einfach nur krank,
Männer leiden und entgehen nur haarscharf
einem schmerzvollen Tod. Ganz egal ob
Schnupfen oder kleine OP, es ist einfach grausam.
Spätestens seit unser „Großer“ eine Operation zum
Jahresbeginn knapp überlebte, weiß ich, dass er nun
zum Mann geworden ist und es tatsächlich einen Zu-
sammenhang zwischen Mannsein und Leiden gibt.
Ja, ich sehe schon, wie die vereinte Frauenschaft jetzt
mit den Augen rollt und sich fragt „Wie alt sind die ei-
gentlich? Warum haben die sich so? Was wäre, wenn
die mal ein Kind auf die Welt bringen müssten?“
Meine bessere Hälfte hat meinen Leidensversuchen
ja früh den Hahn zugedreht. Wenn ich mal so richtig
krank sein wollte, fegte sie wie ein Turbo durch die
Wohnung, putzte die Fenster, die ganze Wohnung,
den Hausflur, sprach mit den Kids Schulsachen
durch, kraxelte in den Keller und räumte Kisten in
einer mentalen Lautstärke, bei der Mann garnicht
krank sein konnte – kurzum: sie zündete ihre zwei
X-Chromosomen und führte mir vor, was noch alles
zu tun ist. Gespickt mit der einfühlsamen Bemerkung
„Lass dich nicht so hängen, die Kinder sollen ja nicht
zu Weicheiern werden “ half das besser als Wick und
Wadenwickel. Offensichtlich ist dieses Familienre-
zept von Erfolg gekrönt. Wenn unsere Kids mal krank
sind, dann stehen sie ruckzuck wieder auf der Matte
– und unser Junior kommt manchmal übersäht mit
blauen Flecken vom Schulhof-Fußball nach Hause
und lächelt die verbleibenden Schmerzen mit einer
Geschichte vom Super-Doppelbanden-Tor weg. Ich
bin seit Jahren garnicht mehr krank, weil krank sein
bei uns einfach keinen Spaß macht. Krank sein ohne
Leiden und Bedauern der ganzen Familie ist für einen
Mann wie Tom ohne Jerry. Es macht nur zusammen
Noch nicht genug gelacht?
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