Interview :: Seite 43
sein, dass beide Partner statt 40 Stunden nur 32 ar-
beiten – und zwar, ohne gleich massive Nachteile
zu bekommen.
Für Ihren Vorstoß zur sogenannten 32-Stundenwo-
che für junge Familien gab es viel Gegenwind, wie
realistisch ist dieses Vorhaben?
In vielen Unternehmen herrscht eine starke Prä-
senzkultur. Nur wer ständig präsent ist, gilt als
Leistungsträger. Wer mehr Zeit mit der Familie ver-
bringen möchte, wird als Weichei gesehen. Gerade
bei Männern ist das oft so. Aber zwischenzeitlich
scheinen immer mehr Unternehmen die Zeichen
der Zeit erkannt zu haben. Denn den meisten El-
tern sind familienfreundliche Angebote genauso
wichtig wie die Höhe des Gehalts. Darauf reagie-
ren die Unternehmen nun langsam. Doch trotz
dieser insgesamt positiven Entwicklung gibt es
noch viel Luft nach oben. Innerhalb des vergan-
genen Jahres ist die Idee der Familienarbeitszeit
auf unglaubliche Akzeptanz gestoßen. Die IG Me-
tall und andere Gewerkschaften haben die Idee
der Familienarbeitszeit aufgegriffen. Auch einige
Wirtschaftsvertreter, beispielsweise Eric Schweit-
zer, der Präsident des Deutschen Industrie- und
Handelskammertages, sprechen sich dafür aus.
Mit dem ElterngeldPlus und der Familienpflegezeit
machen wir die ersten wichtigen Schritte. Und ich
halte an meiner Idee der Familienarbeitszeit fest.
Sie wollen der „gehetzten Generation“ zwischen 30
und 50 Jahren das Leben zwischen Erziehung der
Kinder, Beruf und Pflege der Eltern erleichtern. Sie
stecken selbst in dieser Generation, fühlen Sie sich
auch oft gehetzt?
Ich erlebe den ganz normalen Wahnsinn, den vie-
le Familien aus ihrem Alltag kennen. Man möchte
seinen Job gut machen und Zeit für seine Fami-
lie haben. Die Balance zu halten ist nicht immer
leicht. Aber es gelingt uns ganz gut, weil mein
Mann und ich uns die Erziehungs- und die Hausar-
beit partnerschaftlich teilen. Mein Mann hat seine
Arbeitszeit reduziert auf 35 Stunden und arbeitet
einen Tag von zu Hause. Jeden Sonntag setzen
Seit Dezember 2013 ist Manuela Schwesig
Bundesministerin für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend. Die gebürtige Bran-
denburgerin hat heute ihre Heimat mit Mann und
Kind in Schwerin/Mecklenburg-Vorpommern. Sie
ist das jüngste und auf jeden Fall das schönste Mit-
glied in Merkels Kabinett – und hat sich mit dem
Durchsetzen der Frauenquote und weiteren Vor-
haben gut in der meist angestaubten Männerriege
behaupten können. Aktuell versucht sie, gerade
jungen Eltern mit dem Modell der sogenannten
32-Stundenwoche mehr Zeit für die gemeinsame
Kindererziehung zu ermöglichen. Wir sprachen mit
der sympathischen Bundespolitikerin:
Haben Sie eine kurze Antwort auf die Fragen: Wie
steht es um Deutschlands Familien und wie famili-
enfreundlich ist Deutschland?
In Deutschland können wir die Vereinbarkeit von
Familie und Beruf noch verbessern. Dafür setze
ich mich ein. Ich möchte die Familien hier unter-
stützen. Die Politik muss dafür die entsprechenden
Rahmenbedingungen setzen. Aber auch die Wirt-
schaft und die Unternehmen haben hier eine Ver-
antwortung. Wenn die Arbeitswelt familienfreund-
licher wäre, würden sich mehr junge Männer und
Frauen für Kinder entscheiden. Familie wird für
sich genommen nicht als Belastung empfunden
und Arbeit auch nicht. Aber die Balance hinzube-
kommen, das ist schwer. Moderne Familienpolitik
ist deshalb die Stärkung der Partnerschaftlichkeit.
Umfragen zeigen, dass sich das 60 Prozent der
Paare mit Kindern unter drei Jahren wünschen,
aber nur 14 Prozent können das auch umsetzen.
Wir müssen deshalb Vollzeit für Familien neu de-
finieren. In der Rush Hour des Lebens kommt alles
zusammen: Kinder kriegen, die Pflege der Eltern
organisieren, als Fachkräfte zur Verfügung stehen.
Das geht nicht mit Vollzeit für Männer und Frauen,
wie wir sie bisher definieren. Männer wünschen
sich, ihre Arbeit zu reduzieren, fürchten aber ne-
gative Folgen für ihre Karriere. Frauen würden
gerne mehr Stunden arbeiten, können aber aus ih-
ren Teilzeitjobs nicht aufsteigen. Es muss möglich
Interview:
Jens Taschenberger
„Viel Luft nach oben“
Interview mit Familienministerin Manuela Schwesig
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