Kolumne :: Seite 54
lausitzDADDY
Innenansichten eines verzweifelten Vaters
youtube ein Video von einem OP-Monitor samt Herz-
schlag, Puls und Atemfunktion heruntergeladen. Un-
ser Junior gab den Patienten, der mal von einem Auto
angefahren, mal aus demHubschrauber gefallen oder
vom Zug überrollt worden war. Das Monitor-Video lief
in einer Endlos-Schleife und machte alle zwei Minu-
ten so richtig Alarm, sodass Chefarzt samt Assistenz-
ärztin das ganze Programm aus Herzdruckmassage,
Stromschocken und Adrenalinspritze ins Herz abspu-
len mussten, bis der Patient wieder einen Puls hatte.
Imaginäres Blut spritzte umher, Körperteile mussten
amputiert werden – unsere Notaufnahme hätte es mit
jedemHorrorfilm aufnehmen können.
Ich steigerte mich mit meiner kleinen Assistenzärztin
immer mehr in die Rolle der Lebensretter. Da passier-
te es. Als wir den Patienten ein weiteres Mal retten
wollten, verfingen sich die Kabel, ähm Schnürsenkel
des Defilibrators amGestell des Tropfes, der umkippte
und auf den Laptop zu stürzen drohte, den ich in aller
Hektik retten wollte, woraufhin im Gewirr der OP-Ge-
räte meine doch recht wacklige Gesamtkonstruktion
zusammenbrach und nach dem Tropf auch noch der
Laptop auf meinen Junior krachte. Der Patient war
am Kopf getroffen und blutete diesmal wirklich. Wir
hatten eine richtige Platzwunde in unserer Notauf-
nahme und Chefarzt Shepherd hatte die Hosen voll.
Zum Glück war meine bessere Hälfte zu Hause und
übernahm sofort die Regie. Sie kümmerte sich um die
Erstversorgung des Patienten und machte ihn „trans-
portfähig“, dann fuhr ich mit ihm sofort ins Kranken-
haus. In aller Hektik hatte ichmir nicht mal eine Jacke
übergeworfen. So kam ich in die Notaufnahme des
Klinikums, mit weißem Kittel und großem Aufkleber
„Chefarzt Derek Shepherd, Seattle Grace Hospital“.
Die Schwestern staunten nicht schlecht und suchten
wahrscheinlich nach der versteckten Kamera. Nach-
dem ich unsere Unfallgeschichte erzählte, waren wir
aber die Attraktion auf der Station. Minütlich ging die
Tür auf und Ärzte oder Schwestern fragten mich be-
lustigt, wie „Chefarzt Shepherd“ denn die Situation
des Patienten einschätze. Wieder zu Hause, wurde die
Notaufnahme von meiner besseren Hälfte erst einmal
geschlossen. „Wer weiß, was sonst noch passiert“.
Darauf fragte mich meine Kleine, ob wir dann nicht
lieber Zombie spielen wollen. Das machte mir dann
doch ein bisschen Angst.
Euer lausitzDADDY
Die Rolle von uns Vätern hat sich in nur zwei
Generationen fast ins Gegenteil verkehrt.
Waren die Schnurrbartträger früher die Au-
toritätspersonen im Haushalt – immer mit einer kla-
ren Ansage und manchmal auch mit einer starken
Hand – so sind wir glattrasierten Väter heute doch
eher so etwas wie zu groß geratene Spielkameraden
unserer Kids. Das liegt sicher daran, dass wir als Män-
ner uns wunderbar in eine Sache vertiefen können,
wie früher beim Jagen oder heute beim Fernsehen
und Herumwerkeln. Deshalb können wir uns auch
viel besser in die Fantasiewelten unserer Kinder bege-
ben als Frauen, die immer die ganze „Höhle“ im Blick
behalten wollen. Leider manchmal auch zu sehr.
Der nasskalte Herbst verlagert die Spielaktivitäten ja
wieder mehr aufs Wohnungsinnere, wo dann umso
mehr Fantasie bei der Verwandlung des Kinderzim-
mers in einen Spielplatz gefragt ist. Meine Kleine
spielt in letzter Zeit sehr gern „Krankenhaus“, das
Arztfieber brach bei ihr nach einem Krankenhausbe-
such zum Jahresbeginn aus. Seitdem ist auch „Greys
Anatomie“ ihre Lieblingsserie im TV. Deshalb ver-
wandeln wir ihr Zimmer immer wieder in eine Not-
aufnahme – diesmal mit überraschend realistischen
Auswirkungen.
Ich stattete unser Hospital – als Chefarzt Derek She-
pherd mit weißem Hemd und Namensschildchen
– mit allem aus, was meine kleine Assistenzärztin
sich wünschte. So hingen an der OP-Liege bald ein
Tropf, gebastelt aus einer Trinkflasche, einem Stück
Schlauch und der Halterung mit einer Besen-Bügel-
Drahtkonstruktion, eine Beatmungsanlage und ein
Defibrilator, das ist dieses Teil für Stromstösse bei
einem Herzstillstand. Als besonderen Clou hatte ich
auch noch meinen Laptop angeschlossen und bei
Noch nicht genug gelacht?
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