Foto: DGE FIT KID Thomas Rodriguez
Gesünder und nachhaltiger ernähren mit unseren Tipps.
In Deutschland sind rund 15% der Kinder von 3 bis 17 Jahren übergewichtig oder adipös. Das zeigen die Daten des Kinder- und Jugendgesundheitssurvey KiGGS, der erstmals zwischen 2003 und 2006 bundesweit Körpergröße und Körpergewicht von Kindern und Jugendlichen in Deutschland in standardisierter Weise gemessen hat. Zudem bestätigt eine vor wenigen Jahren veröffentlichte Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Bildung, dass Therapien für Kinder mit Übergewicht nur äußerst begrenzt wirksam sind und bei gerade einmal 10 bis 18 % der Betroffenen zu nachhaltigen Verbesserungen führen. Es gibt also nur einen Weg: Erst gar nicht dick werden. Hier wird zuallererst im Elternhaus, aber auch durch die Ernährung und die Ernährungsbildung in Kitas und Schulen, der Grundstein gelegt. Da in Kita und Schule die Ganztagsbetreuung zur Regel wird, kommt dem dort angebotenen Essen zudem eine immer größere Bedeutung zu. Damit die Kinder tagsüber fit sind – geistig wie körperlich – brauchen sie ausgewogene, vollwertige und leckere Mahlzeiten. Wer zum Frühstück und Mittag wenig oder ungesund isst, wird Schwierigkeiten haben, dem Unterricht zu folgen. Langfristig ist eine ausgewogene Ernährung wichtig, um letztendlich Übergewicht zu vermeiden. Wir zeigen im Spezial zu gesunder Kita-, Schul- und Familienküche, worauf Eltern achten können, um die Ernährung ihrer Kinder sowohl zu Hause als auch in Ganztagseinrichtungen gesünder zu gestalten.
DGE-Qualitätsstandards
Seit 2009 gibt es Richtlinien zur Gemeinschaftsverpflegung, entwickelt von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) im Auftrag des Bundesernährungsministeriums. Für einen 4-Wochenspeiseplan (20 Tage) sollte folgendes berücksichtigt werden:
- Täglich Gemüse oder Salat
- Täglich Getreide oder Kartoffel
- Mindestens acht Mal Obst
- Mindestens acht Mal Milchprodukte
- Mindestens vier Mal Seefisch
- Mindestens vier Mal Vollkornprodukte
- Höchstens acht Mal Fleisch/Wurst
- Höchstens vier Mal verarbeitete Kartoffelerzeugnisse (z.B. Kroketten, Kartoffelpuffer)
- Täglich Getränke
Diese Standards sollten Grundlage dafür sein, was mittags auf die Teller kommt. Rechtlich bindend sind sie bisher nur in Berlin und im Saarland für die Schulen. In den übrigen Bundesländern liegt es in der Hand der Einrichtungen bzw. Caterer, inwieweit die Standards umgesetzt werden. Gründe, warum diese Standards nicht berücksichtigt werden, reichen von „Kennen wir nicht“ bis „Davon halten wir nichts“.
Um herauszufinden, was tatsächlich auf den Tellern der Kinder landet und wie es um die Verbreitung der DGE-Standards steht, hat die Regierung eine bundesweite Erhebung in Auftrag gegeben. 2014 wurden die Schulen befragt, 2015 folgte die Studie zu den Kitas.
Untersuchungen zur Verpflegung in Kitas
Für diese Untersuchung wurden 7.000 Kitas schriftlich angefragt, 1.400 haben den Fragebogen ausgefüllt zurückgeschickt, das entspricht 2,6 Prozent aller Kitas in Deutschland.
Drei von vier Kindern essen Mittag in der Kita, wobei es Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland gibt. In den meisten ostdeutschen Kitas dürfte die Teilnahmequote am Mittagessen bei fast 100 Prozent liegen. Bei den Verpflegungssystemen dominiert die Warmverpflegung (55,4%), bei der das Essen in einer Großküche durch einen Caterer frisch zubereitet und dann warm angeliefert, portioniert und ausgegeben wird. Immerhin in fast jeder dritten Kita wird frisch vor Ort gekocht. In 7% Prozent der Kitas wird das Tiefkühlkostsystem angewendet. Dabei wird das Essen nach der Zubereitung auf minus 18 Grad schockgefroren und vor Ort wieder auf mindestens 70 Grad erhitzt. Noch seltener ist Cook & Chill verbreitet (3% der Kitas). Fast immer wird die Mittagsverpflegung extern vergeben, 11 Prozent der Schulen kümmern sich in Eigenregie um Zubereitung und Ausgabe. 60 Prozent der befragten Kitas haben eine Haushaltsküche, die sie beispielsweise für Aktionstage zum Backen und Kochen nutzen. Das Getränkeangebot ist vorbildlich: Fast alle Kitas bieten Wasser und Tee an. Saft und Fruchtnektar sind weniger verbreitet.
Doch wovon hängt ab, was auf den Speiseplan kommt? Das sagen die Kitas: Die Speisen sollen gesundheitsfördernd sein (72,3%), Saison haben (64,2%), die Geschmacksvorlieben der Kinder treffen (60,4%) und das Kostenbudget nicht sprengen (31,3%). Diese Angaben spiegeln sich allerdings nur bedingt in den Speiseplänen wider. Auch Nachhaltigkeit und spezielle Bedürfnisse spielen für viele Kitas eine Rolle. Immer häufiger werden Allergien, Unverträglichkeiten oder muslimische Speisevorschriften berücksichtigt.
Befragt nach dem Lieblingsessen der Kinder, landete wenig überraschend Nudeln und Tomatensoße auf Platz 1. Das ist nicht unbedingt das Essen, welches Ernährungsexperten empfehlen würden. Orientiert man sich an den DGE-Standards, dann sollten es zumindest Vollkorn-Nudeln sein. 36,6 Prozent der Kitas setzen die Standards um, allerdings nicht immer vollständig. Nimmt man diese Empfehlungen als Grundlage, zeigt sich, dass auf den Kindertellern zu oft allgemein beliebte Gerichte mit Fleisch und Wurst liegen, zu selten weniger beliebte Speisen mit Fisch und Salat. Das Essen ist außerdem zu salzig: Im Schnitt enthielten die Mittagsportionen 1,8 g Salz, Kinder sollen je nach Alter über den Tag verteilt max. 3 bis 6 g Salz zu sich nehmen.
Das Fazit der Studie: Wer hochwertige und gesunde Verpflegung anbieten will, braucht Geld, Personal, Räumlichkeiten, Ausstattung. Was die Kitas ohne viel Aufwand selbst leisten können, um die Verpflegung der Kinder zu verbessern: Externe Qualitätsstandards bzw. wissenschaftliche Empfehlungen beherzigen und ein dokumentiertes Verpflegungskonzept erstellen und nutzen.
Untersuchungen zur Schülerverpflegung
Bei der Untersuchung der Schulen wurden 1.500 Schulleiter schriftlich befragt, 200 Schulträger (mit 5.000 Schulen) und 12.500 Schüler.
Je jünger die Schüler, desto öfter essen sie in der Schule Mittag, je älter, desto öfter kümmern sie sich anderweitig. So liegen die Teilnehmerquoten beim Mittag in der Grundschule bei etwa 50 Prozent (Sachsen 82%; Brandenburg 65%), danach nur noch bei 30 Prozent. Hauptgrund: Es schmeckt nicht. Konkurrenz machen dem Schulessen v.a. Fleischer, Bäcker, Supermärkte und Fast-Food-Restaurants, seltener das Mittagessen zu Hause.
In Grundschulen wird häufiger nur ein Essen pro Tag angeboten, an weiterführenden Schulen stehen fast immer zwei zur Auswahl. Dennoch sind Grundschüler in summa zufriedener mit dem Essen. Die freie Komponentenwahl, bei der sich die Schüler ihre Mahlzeit aus den Beilagen und dem Hauptgericht selbst zusammenstellen können, ist bisher kaum verbreitet (3,7 Prozent der Grundschulen), könnte aber die Teilnahme am und die Zufriedenheit mit dem Essen deutlich steigern.
Fragt man Grundschüler, wie zufrieden sie mit dem Essen sind, vergeben sie sehr unterschiedliche Noten. Die Mehrheit der Jungs und Mädels findet die Mahlzeiten lecker, ausreichend warm, abwechslungsreich und schön angerichtet. Ein Viertel der Kinder ist kaum bis gar nicht zufrieden. Danach gefragt, ob sie sich im Speiseraum wohlfühlen, fallen zwei Punkte negativ auf: Vielen Kindern ist es zu laut und zu ungemütlich. Außerdem haben sie zu wenig Zeit zum Essen, da die Pausenzeiten zu kurz sind. Die DGE empfiehlt 60 Minuten. An fast jeder dritten Schule ist die Mittagspause 30 Minuten oder kürzer, in Sachsen und Brandenburg sogar an mehr als der Hälfte der Schulen. Die von der DGE geforderten mindestens 60 Minuten erreichen die wenigsten Schulen. Bedenkt man, dass die Kinder in dieser Zeit auch die Wege zwischen Speiseraum und Klassenraum zurücklegen und sich an der Ausgabe anstellen müssen, wird klar: Zum Genießen bleibt kaum Zeit.
Beim Lieblingsessen dominieren auch in Schulen weniger gesunde Speisen wie Nudeln, Pizza, Pfannkuchen und Pommes. Nach dem gefragt, was sie weniger gern essen, landen auf den Top 4: Spinat, Suppe, Fisch, Kartoffeln. Noch immer stehen Fleisch und Wurst zu oft auf dem Speiseplan, Fisch zu selten. Auch in Bezug auf Gemüse und Salat werden die DGE-Empfehlungen nicht eingehalten. Besonders oft gibt es Möhren, Erbsen, Blumenkohl und Spinat, wobei letztere für die Warmverpflegung nur bedingt geeignet sind. Rotkohl dagegen wäre wesentlich besser geeignet, findet sich aber nur selten auf den Speiseplänen. Ein Salatbuffet, das die Beliebtheit des Essens steigern könnte, haben bisher knapp ein Drittel der Schulen, zwei Drittel bieten regelmäßig Obst an.
Trotz Bio-Trend: Nur 12 Prozent der Schulträger fordern vom Caterer, dass dieser auch Bio-Produkte und regionale Lebensmittel verwendet. Die meisten Caterer haben bei der Auswahl freie Hand, setzen aber dennoch auf Nachhaltigkeit: In Sachsen und Brandenburg werden zu 45 Prozent auch regionale Produkte und zu 33 Prozent auch Bio-Produkte eingesetzt. Durchaus überraschend: Werden regionale und Bio-Zutaten verwendet, hat das nur einen geringen Einfluss auf den Preis.