Eene, meene, Muh …

Datum: Mittwoch, 27. Februar 2019 11:05


Mobbing betrifft alle Familien. Wir geben Ratschläge für Eltern, Kinder und Lehrer.

Nachdem sich vor wenigen Wochen eine elfjährige Schülerin in Berlin das Leben genommen hat, ist das Thema Mobbing mit einem Mal wieder ganz weit oben auf der Agenda von Medien und Politik. Dabei ist das Thema leider ein Dauerbrenner – und müsste in Schulen aber auch in Familien immer präsent sein.
Wer sich Statistiken anhört oder Erfahrungsberichte von Kindern in Internetforen liest, weiß: Da liegt einiges im Argen. Das Thema Mobbing betrifft fast alle Eltern von Schulkindern. Ab einem bestimmten Alter hat fast jedes Kind schon Mobbing erlebt, sei es als Opfer, als Täter oder als Mitwisser.

Mobbing ist kein Randphänomen
Eine neue Studie der Bertelsmann Stiftung zur Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen kommt zu dem Ergebnis, dass sich jedes dritte Kind an einer Ober- oder Gesamtschule nicht mehr sicher fühlt. An Grundschulen und Gymnasien liegt der Anteil bei 20 Prozent.
Es gibt leider nur wenige aktuelle und stichfeste Studien und Untersuchungen zu dem Thema. In einer Befragung der Leuphana-Universität Lüneburg von 2009 gab fast jeder zweite befragte Schüler an, in den zurückliegenden drei Monaten in irgendeiner Form Erfahrungen mit Mobbing gemacht zu haben, gut 30 Prozent wurden schikaniert oder fertig gemacht, zehn Prozent haben Gewalterfahrungen gemacht, wurden also beispielsweise getreten oder geschlagen.

Die PISA-Studie von 2017 fragte unter 15-Jährigen ebenfalls nach Mobbingerfahrungen. Demnach erlebt fast jeder sechste regelmäßig Mobbing. Bildungsforscher und OECD-Direktor Andreas Schleicher forderte daraufhin, Mobbing in Deutschland stärker zu thematisieren und eine klare Null-Toleranz-Praxis zu etablieren. Das heißt im Umkehrschluss: In jeder Familie mit Schulkindern wird der Nachwuchs entweder selbst zum Mobbingopfer und -täter oder aber er hat Mobbing als „Zuschauer“ miterlebt.

Solange Schulen das Thema Mobbing nicht ernst nehmen oder Mobbingfälle an der eigenen Schule verharmlosen, haben Täter leichtes Spiel. Sie lernen ziemlich schnell: Mein Opfer wehrt sich nicht und den Lehrern ist es auch egal, was ich mache. Um aktiv gegen Mobbing vorzugehen, muss man es erstmal als solches erkennen. Eben weil Lehrer auch mal wegsehen, das Problem gern verharmlosen oder weil der betroffene Schüler aus Scham schweigt, ist es für Eltern nicht immer ganz einfach zu erkennen. Dabei ist es wichtig, frühzeitig zu reagieren, denn je stärker sich die Mobbingbeziehung zwischen Opfer(n) und Täter(n) verfestigt hat, desto schwieriger ist es, sie aufzubrechen.

Mobbing unterscheidet sich von „normalen“ Konflikten und Streitigkeiten zwischen Kindern durch seine Dauer. Mobbing ist ein langanhaltender Konflikt, bei dem Schikanen, Gewalt und Hänseleien über einen langen Zeitraum immer wieder vorkommen. In der Regel gibt es Opfer und einen oder mehrere Täter. Die Gewalt kann sowohl verbal, als auch körperloch und psychisch erfolgen. In den vergangenen Jahren hat sich mit dem Cybermobbing noch eine weitere Form von Mobbing entwickelt.

Woran erkenne ich, ob mein Kind gemobbt wird:
Nicht immer reden Kinder darüber, wenn sie in der Schule geschlagen, gehauen oder geärgert werden. Die Gründe dafür können unterschiedlich sein: Sie schämen sich dafür, Opfer zu sein, sie suchen die Schuld bei sich selbst, sie wollen vor ihren Eltern nicht als Versager dastehen. Dennoch gibt es äußere Anzeichen, die darauf hindeuten, dass ein Kind gemobbt wird.

Anzeichen für Mobbing:

  • Angst vor der Schule
  • Wiederkehrende körperliche Beschwerden (Bauchschmerzen, Erbrechen, Kopfschmerzen)
  • Appetitlosigkeit, Schlaflosigkeit, Gereiztheit
  • Antriebslosigkeit (keine Lust auf Hobbys, Ausflüge, Freunde treffen)
  • Das Kind erzählt nicht mehr von der Schule
  • Keine Einladungen mehr zu Kindergeburtstagen von Mitschülern
  • Verschlechterung der schulischen Leistungen
  • Das Kind kommt immer wieder mit blauen Flecken oder Verletzungen von der Schule
  • Schulsachen sind kaputt
  • Das Kind fragt nach Geld/ mehr Taschengeld


Unter „weiterführende Informationen“ haben wir auf einen Mobbingtest (für Eltern und Lehrer) und auf ein Mobbingbarometer für Schulen verlinkt. Anhand einiger Fragen kann man dort überprüfen, ob man von Mobbing betroffen ist.
Die Ursachen oder Auslöser für Mobbing können unterschiedlich sein. Ganz wichtig und vielleicht tröstet das auch Eltern: Das Mobbingopfer trägt keine Schuld an der Situation, es ist fast immer Zufallsopfer und die Täter suchen sich einen vermeintlichen Makel aus, mit dem sie das Opfer immer wieder aufziehen. Das zeigt auch folgendes Stufenmodell nach Mechthild Schäfer (2012):

Phasen des Mobbings:
Phase 1 – Exploration: Zunächst sucht sich der Täter durch kleine Gemeinheiten ein Opfer aus. Das Kind, bei dem die Gemeinheiten am ehesten ihre gewünschte Wirkung erzielen, wird zum Opfer.
Phase 2 – Konsolidierung: Der Täter beginnt mit systematischen Attacken auf das Opfer. Spätestens jetzt müssen Lehrer und Mitschüler aktiv werden und dem Täter klare Grenzen aufzeigen. Wenn er in dieser Phase erfährt, dass sein Verhalten ignoriert bzw. toleriert wird, wird sich die Täter-Opfer-Rolle verfestigen.
Phase 3 – Manifestation: Wenn in Phase 2 keine Gegenmaßnahmen eingeleitet wurden, gelingt es dem Täter nun, auch Mitschüler auf seine Seite zu ziehen. Die Täter-Opfer-Rolle ist jetzt klar und fast irreversibel festgelegt. Der Täter erfährt Anerkennung, das Opfer Ablehnung und Isolation.

Über diese Phasen und den langen Zeitraum entsteht ein immer stärkeres Macht-Ungleichgewicht zwischen Täter und Opfer. Aus diesem Machtgefüge kann sich das Opfer irgendwann nicht mehr aus eigener Kraft befreien.
Ein Kind, das gemobbt wird, braucht unbedingt Unterstützung, natürlich von den Eltern, aber möglichst auch von den Lehrern und seinen Mitschülern. Beim Thema Mobbing ist immer von Opfern und Tätern die Rede, aber auch alle anderen Schüler in der Klasse spielen eine wichtige Rolle und können durch ihr Verhalten dazu beitragen, dass die Mobbingsituation beendet oder aber fortgesetzt wird.