Leben Bio-Schweine artgerecht?
Wem artgerechte Tierhaltung wichtig ist, der hat es schwer beim Kauf von Fleisch und Wurst. Die Tierhaltung auf vielen Biohöfen ist ausbaufähig. Massentierhaltung, das Töten männlicher Küken, Kastrieren von Ferkeln ohne Narkose – all dies gibt es hier ebenso. Teilweise ist auch die ganzjährige Haltung im Stall und die Gabe von Antibiotika erlaubt. Einige Bio-Anbauverbände haben für ihre Betriebe strengere Richtlinien erlassen. Insofern gilt für den Kunden: Biofleisch ist besser als nicht Biofleisch. Noch besser aber ist es, einen Fleischer oder Bauern des Vertrauens zu finden, bei dem man weiß, wie die Tiere vorher gelebt haben. Je kleiner der Hof, desto glücklicher vermutlich die Tiere. Das Neuland-Siegel ist kein Biosiegel, steht aber für artgerechte Haltung der Tiere: Die Tiere kommen ins Freie, erhalten kein importiertes oder gentechnisch verändertes Futter, das Futter darf nicht mit Antibiotika versetzt werden. Die Tiere liegen auf Stroh und nicht auf in der Landwirtschaft verbreiteten Spaltböden. Die maximale Anzahl an Tieren ist begrenzt. Ferkel müssen zur Kastration betäubt werden. Eine Teilumstellung des Betriebs ist nicht möglich. Seit 2011 gibt es das Projekt www.MeinekleineFarm.org. Das Motto: Wir geben Fleisch ein Gesicht. Auch hier kommen Fleisch und Wurst aus artgerechter Tierhaltung. Kauft der Kunde ein Glas Leberwurst oder eine Salami, wird es mit einem Portraitfoto des verarbeiteten Tieres versehen. Der Kunde soll wissen, woher das Tier kommt und er soll bewusster Fleisch essen. Die Produkte sind deutlich teurer als im Supermarkt, das Ziel dahinter: Weniger Fleisch essen. Da der in westlichen Ländern hohe Fleisch- und Wurstkonsum ohnehin als ungesund und umweltschädigend gilt, wird auch von Ärzten immer wieder empfohlen: Möglichst wenig Fleisch konsumieren – das schützt die Umwelt und die Gesundheit. Kinder sollten höchsten zwei bis drei Mal pro Woche Fleisch oder Wurst essen, weißes Fleisch vom Geflügel gilt als gesünder als rotes Fleisch vom Schwein oder Rind. Wer sicher gehen möchte, dass es dem Tier gut ging und dass sich keine Rückstände von Antibiotika im Fleisch finden, kauft Wild, idealerweise aus der Region. Wer Fisch kauft, kann auf das blau-weiße MSC-Siegel achten – es steht für nachhaltige Fischerei ohne Überfischung von Beständen.
Wo könnte bio besser werden?
Trotz all dieser Vorteile von Biolebensmitteln gibt es die Kritiker und Skeptiker. Ihre Argumente: Auch auf Biohöfen leiden die Tiere, weil es auch dort Massentierhaltung gibt. Bio-Pflanzenschutzmittel schaden Böden und Tieren. Die jährlichen Kontrollen auf Biohöfen werden vorher angekündigt, so dass Mängel unter Umständen verheimlicht werden können. Lebensmittelskandale oder der Nachweis unerlaubter Schadstoffe erschüttern gelegentlich auch die Biobranche. Die Vorwürfe sind berechtigt. Die Standards und die Kontrollen sind ausbaufähig. Doch Bio ist oft nachhaltiger und umweltfreundlicher als nicht-Bio. Verbandsbio wiederum ist noch besser als EU-Standard-Bio. Noch besser ist: beim Bauernhof vor Ort kaufen und sich anschauen, wo die Möhren wachsen und die Rinder grasen, die später auf dem Teller landen. Ein weiterer Vorteil, wenn Kunden ihre Biolebensmittel von einem regionalen Hof beziehen: Sie wissen, dass die Produkte aus der Region kommen. Denn generell gilt: Bio ist nicht gleich regional. Und bio ist auch nicht gleich fair. Es gibt extra Siegel für Produkte, die aus fairem Handel stammen und soziale Standards bei der Produktion garantieren. Anfang 2014 hat der Handel das sogenannte Regionalfenster eingeführt, das allerdings freiwillig ist. Es soll dem Kunden Orientierung bieten, welche Lebensmittel (vorwiegend) aus Zutaten aus der Heimat bestehen. Wer aber im April Appetit auf Äpfel hat oder das ganze Jahr über deutsche Kartoffeln essen möchte, steht vor der Frage: Lagerware von hier oder frische Ware aus Übersee? Die Ökobilanz fällt ähnlich aus: Sowohl der weite Transport als auch die Kühlung im Lager verbrauchen reichlich Energie. Wer sich für die deutschen Kartoffeln entscheidet, stützt die heimische Wirtschaft. Der Goldstandard lautet also: bio, regional und saisonal kaufen. Das heißt aber auch: Erdbeeren gibt es nur jetzt in der Saison, Äpfel sind erst ab August wieder von heimischen Bäumen zu haben und Bananen müssten ganz vom Speiseplan gestrichen werden. Das ist nicht immer umzusetzen und manchmal auch den lieben Kleinen schwer zu vermitteln. Daher gilt: Wann immer es möglich ist, sollten Eltern zu frischer Saisonware aus der Region greifen. Wenn das nicht geht, sind auch die Biobananen aus Costa Rica gut genug fürs Gewissen.