Leere statt Lehre

Datum: Freitag, 30. November 2018 11:46

Ursachen für Erziehermangel
Ein verbesserter Betreuungsschlüssel geht immer mit einem höheren Bedarf an pädagogischem Personal einher – zumindest, wenn die Zahl der zu betreuenden Kinder konstant bleibt oder ansteigt. Die aktuell hohen Geburtenzahlen sind daher als eine Ursache für den Erziehermangel zu nennen. Sowohl Deutschland- als auch Brandenburg- und Lausitzweit zählten zahlreiche Krankenhäuser 2016 und 2017 so viele Entbindungen, wie seit rund 20 Jahren nicht mehr. Im Krippenbereich ist das bereits jetzt zu spüren, da die Kinder der geburtenstarken Jahrgänge allmählich in die Kitas kommen wollen. In ihrem Nationalen Bildungsbericht 2018 geht die Kultusministerkonferenz davon aus, dass es erst ab 2021 wieder zu einem langsamen Rückgang kommt.
Einen großen Anteil am Erziehermangel wird in den kommenden Jahren auch die Altersstruktur des Personals haben. Mittlerweile sind 17 % der pädagogisch Tätigen mindestens 55 Jahre alt und gehen somit innerhalb der nächsten zehn Jahre in Rente. Dazu kommen Erzieher, die das Berufsfeld aus gesundheitlichen oder sonstigen Gründen verlassen. Bei einer Quote von 60 % hat zudem die Mehrheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Teilzeitarbeitsplatz. Das hängt u.a. mit dem hohen Anteil an Frauen bzw. Müttern zusammen, die Beruf und Familie unter einen Hut bringen wollen.
Bei der Bildungsbeteiligung der unter 6-Jährigen liegt eine langfristige Entwicklung vor, die seit einiger Zeit stagniert. Im Krippenbereich besucht deutschlandweit rund jedes dritte Kind eine Einrichtung. Die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland sind hierbei groß: In den neuen Bundesländern werden knapp über 50 % der unter 3-Jährigen betreut, in den alten Bundesländern hingegen nur 28,8 %. Zum tatsächlichen Bedarf der Eltern bestehen noch Lücken: So wünschen 59 % der ostdeutschen und 42 % der westdeutschen Eltern eine Betreuung. Vor allem im Westen besteht also noch ein großer Mehrbedarf – ginge es nach den Eltern, wären hier noch knapp 50 % mehr Kinder in der Krippe, als die aktuellen Kapazitäten hergeben.
Auch die Zuwanderung wirkt sich auf den Bedarf an Betreuungsplätzen und Erziehern aus. Seit 2007 stieg die Zahl der betreuten Kinder mit Migrationshintergrund um gut 200.000 an – das umfasst sowohl Schutz- und Asylsuchende, als auch zugewanderte Kinder aus dem EU-Ausland.

Erziehermangel in Zahlen
Allein demografische Entwicklungen und die noch nicht erfüllten Elternwünsche führen laut dem Nationalen Bildungsbericht bis 2025 zu einem Bedarf an 142.000 neuen Fachkräften. Würden sich alle Bundesländer an dem von der Bertelsmann Stiftung empfohlenen Betreuungsschlüssel orientieren, müssten dafür bis zu 270.000 Erzieher eingestellt werden. Darüber hinaus muss auch die Altersstruktur berücksichtigt werden: So scheiden innerhalb der nächsten Jahre 171.000 Beschäftigte alters- oder gesundheitsbedingt aus. Insgesamt summiert sich der Fachkräftebedarf im Krippen- und Kitabereich auf 583.000 Personen. Erwartet werden lediglich 274.000 Nachwuchskräfte. Die Lücke ist gravierend: Ganze 309.000 Beschäftige fehlen, um bis 2025 dem Bedarf gerecht zu werden und zugleich den empfohlenen Betreuungsschlüssel zu erreichen.

Akademisierung des Erzieherberufs
Studiengänge, die einen Schwerpunkt auf frühkindliche Pädagogik legen, sind in Deutschland noch relativ neu, während sie in anderen europäischen Ländern längst zum Standard gehören. Sie sollen angehenden Erziehern das Rüstzeug für die wachsenden Anforderungen an das Berufsbild beibringen und wurden u.a. anlässlich vergleichsweise schlechter Ergebnisse im internationalen PISA-Vergleich eingeführt. In dem dreijährigen Bachelorstudium erlangen die Studierenden vertiefte Kenntnisse in Sachen Kinderpsychologie, dem Umgang mit verhaltensauffälligen oder behinderten Kindern, der (Sprach-) Förderung ausländischer Kinder und der Gesprächsführung mit Eltern.
Anreize für ein Studium vor der Arbeit in der Krabbel- oder Kindergartengruppe bestehen bisher abgesehen von dem intellektuellen Anreiz allerdings noch nicht viele: Das Gehalt für Berufseinsteiger ist dasselbe, auch wenn Erzieher mit akademischem Hintergrund langfristig eher Leitungsaufgaben anstreben können. Zumindest ist die Wahrscheinlichkeit, einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu bekommen umso höher, desto höher die Qualifikation ausfällt. Das verrät das Fachkräftebarometer Frühe Bildung. Dem steht entgegen, dass Fachhochschulen und Universitäten mit entsprechenden Studiengängen deutlich rarer gesät sind, als Berufsfachschulen mit der normalen Erzieherausbildung. Auf 72 früh- bzw. kindheitspädagogische Bachelor- und 13 Masterstudiengänge (Stand: 2017) kommen 596 Fachschulen (2016). Hinzu kommt, dass für viele Berufskandidaten ein Studium erst mal nicht in Frage kommt, da sie nur einen Haupt- oder Realschulabschluss haben.
Insgesamt begannen mit dem Stand 2017 rund 3.400 Studienanfänger ein Studium im früh- bzw. kindheitspädagogischen Bereich und damit 22% mehr, als noch 2011. Bereits über 30.000 Erzieherinnen mit einschlägigem Hochschulabschluss sind in Deutschland tätig. 2006 waren es noch rund 11.000. Trotz des enormen Anstieges machen sie aktuell aber nur einen Anteil von ca. 5% aus.