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Interview :: Seite 57

Interview :: Seite 56

Kann der kleine Toni mit seinen gut drei Jahren auch

schon ordentlich in die Pedale treten?

Der tritt wirk-

lich schon gut in die Pedale! Er ist eigentlich derje-

nige, der am meisten nach Radtouren verlangt und

mich am ehesten zu einem Sprint herausfordert.

Die Kinder sind alle sehr unterschiedlich. Der Ältes-

te möchte gern mit mir Rad fahren, weil er genau

weiß, dass es nach 15 Kilometern zwischendurch ein

Eis oder eine schöne Pause am See gibt. Der Kleine

hingegen möchte mit mir um die Wette fahren. Das

amüsiert uns total, weil die Kleinen auf dem Fahr-

rad lustig anzusehen sind. Wir teilen uns das auch

untereinander auf, mal schenkt meine Frau und mal

ich jedem Einzelnen mehr Aufmerksamkeit. Das ist

wertvolle Zeit, auch wenn man gemeinsam auf dem

Rad unterwegs ist. Natürlich unternehmen wir auch

gemeinsame Familientouren mit den drei Jungs und

meiner Tochter. Dabei ist uns die Bewegung an der

frischen Luft wichtig, wir sehen das Rad fahren in

Familie als tolle Freizeitgestaltung. Natürlich sehen

meine Kinder auf der anderen Seite auch, dass ich be-

ruflich viel auf demRad unterwegs sind, oft begleiten

sie mich dabei. Dann wollen sie wie der Papa auch

mal aufs große Rad. Das macht mich schon ein biss-

chen stolz, wenn die Kleinen mich als Vorbild sehen.

Wer hat den Kindern das Rad fahren beigebracht, Sie

oder Ihre Frau?

Meinen drei Söhnen habe ich das Rad

fahren beigebracht. Meine Tochter hat es bei meiner

damaligen Lebensgefährtin gelernt, als ich noch mit-

ten in meiner Profikarriere steckte und eher selten zu

Hause war. Ein Stück weit schauen die Kinder sich

das aber auch von alleine bei uns Eltern oder den Ge-

schwistern ab.

Warum sollte Ihres Erachtens jedes Kleinkind unbe-

dingt das Rad fahren erlernen?

Fahrrad fahren schult

die Motorik und das Körpergefühl. In meiner eigenen

Kindheit hatten wir keine Stützräder und haben da-

durch sehr schnell ein gutes Gleichgewichtsgefühl

bekommen. Außerdem bringt das Fahrrad Kinder

schnell von A nach B, sie bewegen sich in der Natur

und es ist auch ein sauberes Transportmittel, das kei-

ne Schadstoffe ausstößt. Das Fahrrad ist wirklich

Jan Ullrich hat als Radsportler alles erreicht:

Er wurde Weltmeister-, Olympia- und Tour

de France-Sieger. Heute lebt er mit seiner

Frau und seinen vier Kindern in der Schweiz, am Bo-

densee. Wir sprachen mit ihm über die Bedeutung

von Familie und Rad fahren in seinem Leben – ein

sehr sympathisches Gespräch, fast wie mit einem gu-

ten Freund auf der Gartenbank:

Wie viele Räder stehen bei Familie Ullrich eigentlich

in der Garage?

Gezählt habe ich all die Räder noch

nicht, aber es sind sehr viele. Wir haben in der Gara-

ge zwei Räume. In dem einen stehen noch um die 20

Räder aus früheren Zeiten meiner Sportkarriere, die

ich dort wie in einem kleinen Museum lagere. Darun-

ter sind die Räder wichtiger Siege wie mein Tour-de-

France-Rad und das Olympia-Rad. Im anderen Teil

der Garage stehen die ganzen Kinderräder, angefan-

gen vomKinderroller bis hin zumE-Bikemeiner Frau.

Wie viele das jetzt sind, lässt sich gar nicht so einfach

sagen. Auf jeden Fall sind wir gut ausgestattet!

Sie haben inzwischen vier Kinder, welche Rolle spielt

das Rad fahren bei den Kids?

Die Hauptrolle spielt

bei meinen Kindern sicher der Fußball, das war bei

mir früher aber auch so. Als Kind spielt man ja meist

das, was auch die Freunde spielen. Rad fahren ist

auch keine Sportart, die man unbedingt früh anfan-

gen muss. Sicher wird in unserer Familie viel Rad

gefahren, zumal wir hier am Bodensee in einer sehr

ländlichen Gegend wohnen. Da ist mit dem Rad alles

sehr gut erreichbar. Wir sehen das eher als Transport-

mittel – und die Kinder haben auch einfach Spaß am

Rad fahren. Sicher spielt es auch eine Rolle, dass die

Kleineren sich an den Größeren orientieren – und

mein großer Sohn Max unternimmt mit seinen acht

Jahren schon die ersten Versuche auf einem kleinen

Rennrad. Gerade gestern hat er seine ersten Klickpe-

dalen bekommen, die fand er bei mir immer toll und

hat sich das gewünscht. Durch meinen Beruf und

mein Sportlerleben hat das Rad fahren in unserer

Familie sicher einen besonderen Stellenwert. In der

Familie hat das aber tatsächlich viel mehr mit Spaß,

Bewegung und Gesundheit als mit Sport tun.

Interview:

Jens Taschenberger

»

Ist man als Kind öfter gestürzt,

steht man später schneller wieder auf.

„Nur mit Helm“

Interview mit Radsportlegende Jan Ullrich