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Interview :: Seite 59

Interview :: Seite 58

eine tolle Erfindung. Meine Jungs nutzen es für ihre

Wege zum Fußballplatz oder zur Eishockeyhalle. Der

Kleine ist jetzt gerade mit demRad zum Tennis gefah-

ren. Da darf man als Papa auch nicht übervorsichtig

sein, denn auch das Stürzen müssen Kinder lernen.

Ist man als Kind öfter gestürzt, ohne sich etwas zu

tun, dann kann man sich besser abrollen und steht

später schneller wieder auf.

Auf Facebook teilen Sie kleine Radtouren und Zeit-

fahren Ihrer Kinder mit den Fans, sind Sie bei Ra-

dausflügen eher der vorsichtige Papa oder kommt da

schon der ehrgeizige Sportler durch?

Ich bin eher der

vorsichtige Papa und fördere auch überhaupt keinen

Leistungsdruck. Das machen die Kinder schon unter

sich, da will der kleine Bruder natürlich schneller als

der große sein. Meine große Tochter hat da immer

noch die Nase vorn und spornt damit ihre Brüder an.

Ich trete bei unseren Radtouren eher auf die Bremse.

Wenn wir mit der Großfamilie unterwegs sind, haben

wir auch ganz strikte Regeln. Da werden vorher die

Bremsen und der Luftdruck kontrolliert und jeder

trägt einen Helm. Ich bin auch froh, wenn wir wieder

alle gesund zu Hause angekommen sind.

Sie leben heute in der Schweiz, warum sind Sie

aus Deutschland weggezogen?

Ich hatte damals in

Deutschland komplett meine Privatsphäre verloren.

Teilweise hielten Reisebusse vor meinem Haus. Wir

konnten weder ins Kino noch einkaufen gehen. Vie-

les, was zum Leben dazugehört, war für mich nicht

mehr da. Freunde haben mir geraten, ein Stück wei-

ter an den Bodensee zu ziehen – und nach dem Um-

zug hat sich wirklich viel verändert. Hier haben wir

unsere Privatsphäre wieder und ich kann mit meiner

Familie ein ganz normales Leben führen.

Fehlt Ihnen das flache Land Ihrer Kindheit?

Das

flache Land fehlt mir eigentlich nicht, mein Traum

waren schon immer Wasser und hohe Berge. Genau

das habe ich hier. Was mir allerdings wirklich fehlt,

ist die Ostsee. Dort bin ich aufgewachsen und als

Kind oft mit dem Fahrrad ans Meer gefahren, um

mit Freunden in den herrlichen Dünen oder an den

Steilküsten zu toben. Das fehlt mir. Wenn ich mein

Rostock besuche, kommen diese vielen schönen Bil-

der aus meiner Kindheit immer hoch. Die Sehnsucht

nach demMeer spüre ich schon.

Wir leben hier in der Lausitz, mit dem Spreewald ne-

benan ein Mekka für Radfahrer – verbindet Sie etwas

mit unserer Region?

Mein Freund und ehemaliger

Kollege Olaf Pollack wohnt in der Nähe von Cottbus.

Ich besuche ihn immer wieder und dann Radeln wir

auch ein paar Tage durch den Spreewald oder die

Lausitz. Das ist eine tolle Gegend. Die großen Berge

fehlen zwar, aber man kann ja nicht alles haben.

Sie engagieren sich für Kinder, dazu gibt es unter

janullrichcharity.comeineneigenenAuftritt–sinddie

Rollerkids auf der Homepage die „kleinen Ullrichs“?

Nein, das sind nicht meine Kinder. Unsere Kinder

halten wir bewusst aus der Öffentlichkeit heraus.

Mein jüngster Sohn weiß nicht einmal, dass ich frü-

her Radprofi war. Dadurch können wir hier auch in

Frieden leben.

Wofür engagieren Sie sich und warum?

Ich wollte

gezielt etwas für Kinder tun. Uns geht es gut und ich

spüre auch die Pflicht, davon etwas abzugeben und

das Miteinander in der Gesellschaft zu fördern. Mir ist

aufgefallen, dass es auch hier um die Ecke viele hilfs-

bedürftige Kinder gibt und man nicht immer ins Aus-

land schauen muss. Ein paar Kilometer von unserem

Zuhause leben Kinder in einemHeim, die allesamt im

Leben sehr wenig Glück hatten und deren Schicksal

es mir angetan hat. Da will ich helfen und engagiere

mich z.B. mit demVerkauf toller Produkte auf meiner

Charity-Homepage, deren Erlös diesen Kindern zu

Gute kommt.

Heute bieten Sie Freizeitradlern die Chance zu ge-

meinsamen Event-Touren im Süden Europas oder

den USA – ist das auch was für die radelnde Familie?

Das gibt es noch nicht für Familien, das ist aber eine

tolle Idee. Ich könnte mir gut vorstellen, mit Familien

hier eine Runde um den Bodensee zu radeln. Bislang

ist das Angebot eher für Urlauber oder Kinder, die ein

bisschen Sport treiben und mit Rad fahren wollen.

Da geht es nicht um Siege oder Zeiten, sondern um

einen gemeinsamen sportlichen Tag. Abends erzähle

ich dann meist Geschichten aus meinem Leben, das

ist alles sehr gemütlich. Schnell fahren und um Siege

kämpfen musste ich mein ganzes Leben, jetzt will ich

das genießen.

Wenn Sie auf Ihr bisheriges Leben zurückblicken,

welche Erinnerung ist Ihnen die Liebste, welche

die Schmerzhafteste?

Die besten Momente meines

Lebens waren die Geburten meiner Kinder und die

Hochzeit mit meiner Frau. Wir sind gemeinsamdurch

schwere Zeiten gegangen und immer noch ein tolles

Team, unsere Ehe ist immer noch so perfekt wie am

ersten Tag. Natürlich kommen im Sportlichen die

größten Siege bei der Tour-de-France oder Olympia

dazu. Mit meinen 42 Jahren ist das Sportliche heute

aber zweitrangig und zählt erst hinter der Familie. Bei

den schlechten Erinnerungen ist das ähnlich. Unter

dem Verlust geliebter Menschen leide ich extrem. Als

mein Opa im Jahr 1993 kurz vor meinem Weltmeis-

tertitel starb, hat mich das lange beschäftigt. Sport-

lich hatte ich sehr lange mit dem Ausschluss von

der Tour-de-France im Jahr 2006 zu kämpfen. Damit

habe ich aber inzwischen meinen Frieden gemacht.

Wie würden Sie eigentlich reagieren, wenn eines Ih-

rer Kinder Radprofi werden möchte?

Ich würde das

unterstützen. Sicher wird gerade mit Blick aufs Do-

ping oft schlechter über die Sportbranche berichtet,

als sie ist. Andere Branchen in Wirtschaft und Politik

haben da auch ihre Schwächen. Meines Erachtens

kann man Kinder mit gutem Gewissen ihren Weg

im Leistungssport gehen lassen, wenn sie dort ihre

Stärken haben. Ich würde mein Leben auch wieder

genauso einschlagen, wenn ich noch einmal vor der

Entscheidung stehen würde.

Sie haben oft gesagt, als Radprofi braucht man im-

mer eine Ziellinie – wenn Sie nach vorn blicken, wel-

che Ziele möchten Sie da noch erreichen?

Das Fami-

liengeschehen hört ja nie auf: „Kleine Kinder, kleine

Sorgen, große Kinder, große Sorgen“. So ist das auch

bei uns. Unser Hauptziel ist, dass wir aus unseren

Kindern tolle Menschen formen, die ihren Weg ge-

hen. Mit einem Blick auf die Unruhe in der Welt ist

mir auch wichtig meinen Beitrag zu leisten, dass

wir unsere Zeit hier friedlich verbringen. Da zählen

Aspekte wie Toleranz und da will ich auch ein gutes

Vorbild sein. Ich möchte gesund bleiben und auch

noch viele Sachen erleben, später Zeit mit meinen En-

keln verbringen und die Welt bereisen. Toll wäre es,

mit meinen drei Brüdern mal auf einen hohen Berg

wie den Kilimandscharo zu laufen. Ab und zu will ich

mal aus dem Alltag ausbrechen – aber letztendlich

sind die meisten Ziele wie sicher bei vielen anderen

Menschen auch.

Zum Abschluss: Welchen Rat zum Rad können Sie

allen Familien ans Herz legen?

Immer einen schönen

Helm aufzusetzen! Ich fahre selbst zum Bäcker um

die Ecke nur mit Helm. Ansonsten macht Rad fahren

einfach Spaß und ist gesund. Ich glaube, wenn Eltern

das Vorleben und gerne Rad fahren und das nicht als

Wettkampf betrachten, dann ziehen die Kinder von

ganz allein mit. Die Kleinen schauen immer auf die

Eltern und die großen Geschwister. Es ist ein wun-

derschöner Sport, man lernt die Heimat kennen und

genießen. Vor allem ist es eine Zeit, die man gemein-

sam in der Familie verbringt. Das schafft Erlebnisse,

die verbinden.

Vielen Dank für das Interview.

Unter

www.janullrich.de

gibt es News von

Jan Ullrich und auch Events, zu denen man

mit Jan Ullrich gemeinsam Rad fahren und einen

Plausch über sein bewegten Leben führen kann.

Wer es noch persönlicher mag, der kann ihn auch

auf Fecbook besuchen. Zudem gibt es eine Chari-

tyseite, mit der Jan Ullrich ein Kinderheim unter-

stützt, das kann jedermann z.B. mit dem Kauf coo-

ler Fanartikel unterstützen.

Mit Jan Ullrich Urlaubsradeln oder Kindern helfen

www.janullrichcharity.com www.facebook.com/janullrichoffiziell www.janullrich.de