Kolumne :: Seite 68
lausitzDADDY
Innenansichten eines verzweifelten Vaters
anrief und unbedingt etwas besprechen wollte. Ledig-
lich mein Junior spielte in unserer kleinen Agentur-
Lounge noch ein bisschen „Playsi“ und wartete aufs
Nachhausegehen. Er hatte zuvor noch Termine ein-
gegeben ... sicher waren wieder einige Oktoberfeste
dabei.
Serviceorientiert wie ich bin, nahm ich uns noch die
Zeit für den Kundentermin. Der tauchte wenige Minu-
ten später auf und erzählte mir von einer grandiosen
Idee. Als Chef einer großen Spreewaldgastronomie
hatte er seit Jahren beobachtet, wie die Leute immer
mehr auf Kostüme stehen und selbst im Spreewald
Dirndl und Co. auf dem Vormarsch seien. Ausgerech-
net im Spreewald traut sich aber noch niemand an
große Oktoberfeste heran. Er hat deshalb von einem
guten Freund aus München das gesamte Innenleben
eines ehemaligen Wiesn-Festzelts organisiert und
wird jetzt zu den ersten Spreewälder Oktoberfestwo-
chen einladen. Und das zu einem Zeitpunkt, wo der
Spreewald von Touristen nur so boomt. Ich war faszi-
niert und wir begannen sofort, die Idee auszugestal-
ten, denn wir sollten möglichst in zwei Tagen die ge-
samteWerbung auf die Beine stellen. Wir machen den
Spreewald Blau-Weiß, gründen einen Oktoberfest-
verein, planten einen bayrischen Kahnkorso, einen
Jodelwettbewerb, als Plakat ein Liebesmotiv „Weiß-
wurscht trifft Spreewaldgurke“. Die Ideen sprudel-
ten. Als Star wollten wir uns einen richtigen Bayern
holen. Am besten Oliver Kahn, einen richtigen Mann,
dem man auch abnimmt, dass er die ein oder andere
Maaß stemmt. Niemand wäre besser Olli, zumal wir
mit dem eine richtige Kahn-Fahrt machen könnten ...
hah hah. Wir lachten und steigerten uns richtig in die
Spreewald-Wiesn hinein.
Mein Junior lauschte verstört und kam schließlich an
unseren Besprechungstisch: „Mensch Papa, ich den-
ke, Oktoberfestler sind debile Lederhosenträger mit
einer kleinen Weißwurscht in der Hose?“. Verdammt,
haben wir unseren Jungen gut zur Ehrlichkeit erzo-
gen. „Sag immer offen deine Meinung und verbiege
dich nicht.“ Mein Kunde blickte auf seine in der Eu-
phorie bereits vor dem Termin übergestreifte Leder-
hose und dachte wahrscheinlich über seine „Weiß-
wurscht“ nach. Das Oktoberfest hat er nun ohne uns
gefeiert – mitten im September. Und mein Junior hat
doch vollkommen Recht!
Euer lausitzDADDY
Wussten Sie schon, dass man von einem Ok-
toberfest auch ohne einen einzigen Schluck
Bier einen mächtigen Kater bekommen
kann? Dazu braucht es nur einen gut erzogenen Ju-
nior und die Schnaps ... ähm Wiesn-Idee eines Spree-
wald-Gastronoms. Aber eins nach dem anderen.
Unser Junior sorgt sich als lukrativen Nebenjob immer
um die Eingabe der Termine in unsere Datenbank für
diverse Projekte. Dabei fiel ihm auf, dass in unserer
Region allerorten Oktoberfeste gefeiert werden – und
das mitten im September. Selbst die Münchener fin-
gen mit ihrem Oktoberfest in der Septembermitte an.
Mit meiner Abneigung gegen die blau-weiße Sauf-
schunkelei erklärte ich ihm, dass diese Oktoberfeste
ohnehin nur von debilen Bierdickbäuchern gefeiert
werden, die sich das halbe Hirn bei früheren Okto-
berfesten weggesoffen haben und dadurch die Ori-
entierung verloren haben. Deshalb Jodeln die auch,
weil das Sprachzentrum und sämtliche Kontrollin-
stanzen im Hirn versagen und der Oktoberfestler so
im Vollrausch nichts anderes als seinen Brunftruf an
die Oktoberfestlerinnen loslassen kann, die genauso
debil im Dirndl auf den stolzesten Hirsch im Festzelt
warten. Das ist dann der mit den meisten Maaß Bier
intus – und so pflanzt sich in Bayern nur diese Spezies
mit den meisten bierertränkten Hirnzellen am besten
fort. Mein Junior stieg gleich ein: „Ach, deshalb kriegt
der Matthäus keinen richtigen Satz zustande und hat
ständig ein neues Reh am Start?“ Manchmal staune
ich selbst, wie groß und schlau mein Junior schon ge-
worden ist. Wir machten uns noch eine ganze Weile
über die Bayern und das Oktoberfest-Virus lustig.
Eine Woche später hatte ich das längst vergessen.
Ich war mal wieder der letzte in der Firma und woll-
te eigentlich gleich nach Hause, als noch ein Kunde
Noch nicht genug gelacht?
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