Interview :: Seite 40
einfach mal so in diese Trainingshalle geradelt.
Beim Besitzer, Jürgen Lutz, habe ich mich für Kara-
te angemeldet. Ich wusste, dass mein Vater absolut
nicht wollte, dass ich einen Sport mit Boxhand-
schuhen ausübe. Mein Vater hat ehrenamtlich beim
Malteser Hilfsdienst als Rettungssanitäter gearbeitet
und wirklich schon Schlimmes gesehen. Die Trai-
ningsgruppe für Anfänger fand ich oberlangweilig
und habe so lange insistiert, bis ich in einer höheren
Gruppe einsteigen durfte. Ich war sofort Feuer und
Flamme! Der Sport, die Power, diese Atmosphä-
re! Der helle Wahnsinn! Mein Leben hatte sich von
Grund auf verändert.
Haben Sie es vorher auch mal „mädchentypisch“
mit Ballett & Co probiert?
Ich muss dazu bemerken, dass in meiner Familie
zwar gelaufen und geschwommen wurde, aber an-
sonsten haben sich die Halmichs nie sonderlich
mit außerordentlichen sportlichen Leistungen her-
vorgetan. „Mädchentypisches“ kam für mich noch
nie infrage. Also für mich war Karate der Sinn des
Lebens schlechthin. Meine Eltern haben mich auch
unterstützt. Sie waren wohl ganz erleichtert, dass
ich Wirbelwind einen Weg gefunden hatte, um mei-
ne unglaubliche Energie loszuwerden. Im Keller die-
ser Trainingshalle „Bulldog“ befand sich auch eine
Trainingsstätte, dort wurde geboxt; Kickboxen. Und
dieser Ort übte eine magische Anziehungskraft auf
mich aus. So toll ich Karate fand, da war doch noch
etwas anderes. Ich sah, dass es sich bei diesem Sport
nicht nur um technisch saubere Posen handelte,
sondern um wirklichen Kampf. Das war der Augen-
blick: Ich wollte kämpfen, mich mit einem Gegner
auseinandersetzen. So ließ ich Karate Karate sein
und wechselte zum Kickboxen. Zuhause habe ich
das erst einmal tunlichst verschwiegen. Der Schritt
zum Boxen war dann nur noch ein kleiner. Aber da-
mit war ich angekommen – bei meiner großen Liebe,
dem Boxsport!
Glauben Sie, dass der Sport zum Charakter eines
Kindes passen muss oder umgekehrt – dass der
Sport den Charakter formt?
Wichtig ist, dass Kinder (auch) durch den Sport
das Miteinander lernen – Teil einer Gruppe zu sein,
mit Regeln, Fairness und Toleranz. Dass sie lernen,
Siege zu feiern und sich von Niederlagen nicht ent-
mutigen zu lassen. Kinder entdecken schon ihre Nei-
gung, man muss sie nur lassen und unterstützen.
Wie hat der Sport Ihre persönliche Entwicklung im
Kindes- und Jugendalter geprägt?
Ich habe durch den Sport enorm viel über mich ge-
lernt. Zum Beispiel, was es bedeutet, ein Ziel errei-
chen zu wollen und wie wichtig es ist, „auch wieder
aufzustehen“. Elementar ist, schon Kindern klar zu
machen, wo Gewalt anfängt; dass Gewalt niemals
ein legitimes Mittel sein darf, eigene Interessen
durchzusetzen. Gerade Mädchen müssen angstfrei
zu selbstbewussten und selbstbestimmten Frauen
heranwachsen können.
Mit 18 wurden Sie Profi und fast adhoc Europa- und
Weltmeisterin, wo haben Sie als Mädchen und junge
Frau die meisten Vorbehalte dagegen gespürt, als
Mädchen zu boxen?
Ehrlich? Gern hätte ich bei den Amateuren angefan-
gen, aber damals wurde mir, so wie auch allen ande-
ren Frauen, die Lizenz verweigert. Somit wurde ich
Die Kraft ist weiblich.
Fit, schön und stark
mit der erfolgreichs-
ten Boxerin der Welt.
Ihr persönliches Trai-
nings- und Gesundheitskonzept
aus dem Jahr 2003, wie Schlag-
kraft und Durchsetzungvermögen
keinen Verzicht auf weibliche
Werte bedeuten.
Noch Fragen?
Die Autobiografie
einer Boxweltmeis-
terin
erzählt die Geschich-
te von Regina Hal-
mich vom behüteten Elternhaus
zur Boxweltmeisterin in sympa-
thischer Offenheit
Box dich fit (DVD)
ist ein Power-Work-
out für Körper, Kopf
und Kondition. Fit-
ness, in das Regina
Halmisch auch Be-
wegungen und Abläufe aus dem
Boxsport einbringt.
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