Titelthema :: Seite 37
(z.B. Turnhalle, Sportplatz) einge-
schränkt wird.
Also braucht es nicht unbedingt
mehr Sportvereine, sondern bessere
Spielplätze?
Was heute tatsächlich
fehlt, ist das freie Spiel draußen auf
der Straße und auf dem Spielplatz.
Dazu fehlen einfach die Möglichkei-
ten – die Orte, die Zeit, andere Kin-
der. Daher ist der Vereinssport ein
ganz wichtiges Angebot, um Kinder
zu mehr Bewegung zu motivieren.
Wenn Kinder in der Gruppe Sport
treiben, ist auch die Wahrschein-
lichkeit höher, dass sie dabei blei-
ben, wenn sie in einer Phase mal
keine Lust mehr haben. Eltern soll-
ten ihre Kinder allerdings nicht
mit zu vielen Terminen pro Woche
überfrachten – sei es für den Sport
oder den Musikunterricht. Aber ein
bis zwei feste „Termine“ pro Woche
halte ich für völlig legitim. Wenn äl-
tere Kinder das von sich aus wün-
schen, sind auch mehr ok.
Ab welchem Alter sollte ein Kind
anfangen, regelmäßig Sport zu trei-
ben?
Im Grunde ist Bewegung be-
reits ab dem ersten Lebenstag an
wichtig. Anfangs reicht die gemein-
same Bewegung [....].
Dass Sport gesund ist,
weiß jeder. Warum genau
ist Bewegung für Kinder
so wichtig?
Bewegung ist nicht nur
die Voraussetzung für körperliche
und geistige Gesundheit und für ein
gesundes Wachstum von Kindern.
Gleichzeitig schafft Bewegung ei-
nen Zugang zur Welt. Über ihren
Körper und ihre Sinne erfahren
Kinder ihre Umwelt, sie setzen sich
mit sich selbst und anderen ausei-
nander. Sie lernen: Was kann ich
mir zutrauen, was schaffe ich? Sie
erwerben Selbstbewusstsein, ein
kleines Kind erfährt Selbstständig-
keit erstmals über Bewegung. Des-
wegen ist altersgerechte Bewegung
für jedes Kind enorm wichtig.
Wie lange sollte sich ein Kind täg-
lich bewegen?
Experten empfeh-
len etwa zwei Stunden pro Tag,
dazu zählt auch schon das Laufen
zur Kita oder das Spielen auf dem
Spielplatz. Ich finde, es dürften
gern deutlich mehr als diese zwei
Stunden sein. Gerade kleine Kin-
der haben einen sehr großen Be-
wegungsdrang. Eltern sollten ih-
nen die Möglichkeit geben, diesen
auch auszuleben.
Schlagzeilen wie ‚Mehr dicke Kin-
der‘ tauchen immer häufiger auf.
Haben Sie den Eindruck, dass Kin-
der heute weniger sportlich sind
als noch vor 30 Jahren?
Ich den-
ke nicht, dass Kinder heute weni-
ger sportlich sind, es sind nur we-
niger Kinder sportlich. Die Schere
zwischen sehr sportlichen und ex-
trem unsportlichen und überge-
wichtigen Kindern geht weiter aus-
einander. Auf der einen Seite gibt
es viele engagierte Eltern, die ihre
Kinder schon früh im Sportverein
anmelden und darauf achten, dass
ihre Kinder sich viel bewegen. An-
dererseits gibt es die Familien, wo
Sport leider keine oder nur eine un-
tergeordnete Rolle spielt.
Was sind die Risiken, wenn Kinder
sich nicht oder zu wenig bewegen?
Diese Kinder haben weniger Ge-
legenheit, ihre motorischen und
emotionalen Kompetenzen zu ent-
wickeln, oft fehlt ihnen ein gutes
Körpergefühl. Sie können Risiken
schlechter einschätzen. Ein Kind,
das eine Treppe nicht hoch und
runter rennen darf, wird eher stür-
zen, wenn es unbeaufsichtigt doch
mal die Treppe herunterflitzt. Vie-
le Eltern sind heute zu vorsichtig,
sie neigen dazu, ihre Kinder über-
zubehüten. Kinder haben kaum
noch Bewegungsmöglichkeiten im
Alltag, weil die Bewegung immer
mehr institutionalisiert und auf
speziell dafür vorgesehene Räume
Interview mit Prof. Dr. Renate Zimmer, Professorin für Sportwissenschaft
an der Universität Osnabrück und Direktorin des Niedersächsischen Instituts
für frühkindliche Bildung und Entwicklung. Auf ihre Initiative findet im März
zum 10. Mal der Kongress „Bewegte Kindheit“ in Osnabrück statt.
In Büchern wie „Schafft die Stühle ab“ oder „Toben macht schlau“ plädiert
sie für mehr Bewegung. 2007 hat sie für ihr bildungspolitisches Engagement
den Bundesverdienstorden erhalten.
Kinder brauchen Platz zum Spielen,
nicht zum Sitzen
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