Titelthema :: Seite 49
Den Tod kann man thematisieren,
wenn z.B. das Haustier gestorben
ist. Manchmal bringen die Kinder
auch Fragen aus der Kita mit oder
ein Thema wird in einer Fernseh-
sendung angesprochen. Ansons-
ten hängt das ein Stück weit von
der Eltern-Kind-Beziehung ab. El-
tern, die einen guten Kontakt zu
ihren Kindern haben und auch ein
gutes Gefühl dafür haben, kön-
nen gut einschätzen: Was kann
ich meinem Kind zumuten? Wie
kann ich ihm was angemessen er-
klären? Eltern, die gerade keinen
so guten Draht zu ihren Kindern
haben, sei es durch eine Trennung
oder schwierige Pubertät, tun sich
im Umgang mit solchen Themen
schwerer. Und es kommt natürlich
auch auf den Eltern-Typ: Es gibt
Eltern, die sind eher vorsichtig
und fürsorglich, wollen ihr Kind
schützen und andere, die trauen
ihren Kindern mehr zu. Ich wür-
de immer auch individuell schau-
en, was habe ich für ein Kind: ein
sensibles oder ein sehr selbstbe-
wusstes?
Wie reagieren Eltern, wenn sie
schwierige Fragen der Kinder un-
vorbereitet treffen?
In solchen
Fällen können sie um Bedenk-
zeit bitten oder das Kind zurück-
fragen: Was denkst du denn, wie
das ist? Ganz wichtig ist, dass El-
tern auf Fragen überhaupt antwor-
ten und nicht ausweichen. Gerade
bei kleinen Kindern muss man bei
heiklen Themen auch gar nicht so
sehr ins Detail gehen. Ein sehr gu-
tes Hilfsmittel gerade im Kita- und
Vorschulalter sind Bilderbücher.
Das gibt es eine große Auswahl
zu den verschiedensten Themen.
Gerade beim Thema sexuelle Auf-
klärung tun sich Eltern schwer
– haben Sie dafür Tipps?
Die ei-
gentliche Aufklärung passiert nur
noch selten durch die Eltern, das
übernimmt eher die Schule oder
auch Gleichaltrige. Dennoch soll-
ten ein so wichtiges Thema in der
Erziehung stets präsent sein und
nicht erst, wenn es um die erste
Liebe geht. Das muss bereits ab
der Kita-Zeit passieren. Das be-
ginnt schon im Umgang mit dem
eigenen Körper, die Benennung
der Geschlechtsteile gehört dazu.
Ganz grundlegend ist, die sexuelle
Selbstbestimmung des Kindes von
Anfang an zu respektieren und zu
fördern. Eltern sollten die Grenzen
der Kinder akzeptieren: Wenn sie
die Oma zur Begrüßung nicht küs-
sen wollen, dann müssen sie das
auch nicht. Da dürfen Kinder sich
abgrenzen und müssen sich kei-
nen Normen unterwerfen. Auch
die Schamgrenzen sollten von
den Eltern akzeptiert werden:
Wenn ein Kind beim Gang auf die
Toilette oder beim Waschen un-
beobachtet sein will, dann darf es
das natürlich. Diese Gefühle muss
man auch als Eltern aufmerksam
wahrnehmen.
Noch ein Thema, das vielen Eltern
unter den Nägeln brennt: Wie füh-
ren sie ihre Kinder an einem „ver-
nünftigen“ Medienkonsum heran?
Viele Eltern und Kinder wissen
heute, dass gerade intime The-
men in den social-media-Kanälen
nichts verloren haben. Generell ist
wichtig, dass Eltern ihren Kindern
den Umgang mit Medien und ins-
besondere mit dem Internet dem
jeweiligen Alter angemessen ver-
mitteln, ihnen Anleitung und Ori-
entierung geben. Im Kindergarten-
alter sollten TV und Internet gar
keine oder nur eine untergeord-
nete Rolle spielen. In diesem Al-
ter brauchen Kinder senso-moto-
rische Erfahrungen. Sie müssen
Dinge erfühlen und be-greifen.
Für die Nutzung des Internets
braucht es ein gewisses kognitives
Verständnis, auch um die Risiken
von social-media wie Mobbing er-
fassen zu können. Das bildet sich
erst im Laufe der Grundschule
aus. Frühestens gegen Ende der
Grundschulzeit sollte Kindern die
eigenständige Internetnutzung er-
möglicht werden, weiter begleitet
von den Eltern.
Ist das in der heutigen digital ge-
prägten Welt nicht recht spät?
Ich sehe diese vermeintliche Früh-
förderung kritisch. Viele Eltern
glauben, wenn sie ihre Kinder
frühzeitig an Medien heranführen,
können sie später besser damit
umgehen. Aber das stimmt nicht.
Kinder lernen über Beziehungen,
nicht über Geräte. Es braucht erst
eine gewisse kognitive Entwick-
lung. Wir setzen ja eine Zweijäh-
rige auch nicht hinters Steuer, nur
damit sie eine gute Autofahrerin
wird oder lassen einen Achtjähri-
gen binomische Formeln lernen.
In der Entwicklungspsycholo-
gie spricht man von Zeitfenstern.
Erst wenn diese sich geöffnet ha-
ben, macht es Sinn, eine bestimm-
te Sache zu erlernen. Eltern sollten
auch die wirtschaftlichen Interes-
sen der Computerindustrie nicht
unterschätzen. PC-Spiele bei-
spielsweise kann man im Grund-
schulalter zwar anbieten. Sie scha-
den sicher nicht, aber es ist auch
nicht nachgewiesen, dass sie dem
Kind nutzen.
Die Online-Beratung der bke gibt
es für Eltern und Jugendliche. Sie
erfolgt kostenlos und anonym: