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Titelthema :: Seite 42

machen lässt. Die Brötchen vom

Bäcker sind nicht vergleichbar mit

den anonymen Teilchen vom Dis-

counter, bei denen ich nicht weiß:

Wer hat das gemacht? Wo kommt es

her? Was ist da drin?

Das ist vielleicht anonym, aber un-

schlagbar preiswert…

Ohne Frage.

Aber woran liegt das? Wir haben

noch sehr viel Handarbeit. Beim

traditionellen Bäcker von nebenan

backen noch Menschen, nicht Ma-

schinen. Unsere Brötchen haben ei-

nen Lohnkostenanteil von etwa 50

Prozent, die vom Backautomaten

von 3 bis 6 Prozent. Durch die riesi-

gen Mengen, die für die Discounter

produziert werden, können sie mit

ganz anderen Einkaufspreisen kal-

kulieren. Bei uns stellen vier Mann

2.000 Brötchen pro Stunde her,

beim Industrie-Großbäcker bedient

einer die Maschinen, die 150.000

Brötchen pro Stunde produzie-

ren. Dazu kommt, dass man beim

Bäcker noch bedient wird. Diesen

Service, einschließlich Beratung,

bekommen Sie nicht beim Dis-

counter. Schlussendlich schmeckt

ein Brot ganz anders, das genü-

gend Zeit zum Reifen hatte und das

mit regionalen ausgewählten Zuta-

ten gebacken wird. [...]

Die deutsche Brotkultur ist

als Kulturerbe geschützt,

es gibt im Land 3.200 Brot-

sorten und ein Brotmuseum. Haben

Sie eine Idee, warum ausgerechnet

die Deutschen so „brotversessen“

sind?

Die Brotvielfalt ist nicht nur

ein Phänomen in Deutschland, son-

dern im gesamten deutschsprachi-

gen Raum. Auch in Österreich und

der Schweiz gibt es eine große Aus-

wahl an Brotsorten. Warum das so

ist, kann ich nur vermuten. Sicher

hat es etwas mit der Handwerkst-

radition zu tun, die sich hier ent-

wickelt hat. Viele Jahrhunderte

war es auch wichtig, die Bevölke-

rung satt zu kriegen ohne Fleisch.

Dafür eignet sich Brot – übrigens

noch heute – wunderbar. Mittler-

weile ist Brot zum Luxusartikel ge-

worden. Zum satt werden brauchen

wir Brot heute nicht mehr. Wer ge-

nug Geld verdient, greift eben auf

andere, vermeintlich höherwerti-

ge Lebensmittel zurück. Wir haben

Fleisch und andere Lebensmittel im

Überfluss. Aber ein gut gemachtes,

ofenfrisches Brot ist eben mehr: Es

bedeutet Lebensqualität, Genuss,

Heimat. Daher ist Brot der preis-

werteste „Luxusartikel“, den Sie

kaufen können. Wenn Sie nur den

Hunger stillen müssen, reicht auch

Haferbrei.

Was bedeutet das für Sie als Bäcker,

wenn Brot zum Luxusartikel wird?

Natürlich hat sich über die Jahr-

zehnte unsere Arbeit verändert. Wir

sind heute keine Sattmacher mehr,

wir können uns nicht darauf verlas-

sen, dass jeder täglich Brot isst und

bei uns kauft. Aber wir können ein

Genussmittel herstellen, Brot wird

oft unterschätzt. Dabei ist es nahr-

haft und unglaublich vielfältig.

3.000 Brotsorten – das ist ja auch

ein Zeichen dafür, wie kreativ Bä-

cker sind. Ich denke, das Urbedürf-

nis nach Brot braucht wieder eine

Renaissance. Wenn man sieht, wie

viele Menschen auf der Welt hun-

gern müssen, werden wir dahin zu-

rückgehen müssen, weniger Fleisch

zu essen und dafür mehr Getreide-

produkte. Hinzu kommt, dass Brot

auch in Familien ein Stück weit an

Bedeutung verliert. Brotbüchsen,

werden wenn überhaupt noch, mit

anderen Dingen als belegten Broten

gefüllt. Wie viele Familien versam-

meln sich noch gemeinsam zum

Abendbrot am Tisch?

Wie wollen Sie die davon überzeu-

gen, wieder mehr Brot beim Bäcker

zu kaufen?

Indemwir deutlich und

transparent machen, was wir leis-

ten: Wir Bäcker produzieren traditi-

onell von Hand mit Zutaten aus der

Region tolle Brote. Genau das müs-

sen wir kommunizieren: Mensch,

schaut mal, was für ein tolles Pro-

dukt sich aus so einem einfachen

Rohstoff, der um die Ecke wächst,

Bäckermeister Roland Ermer ist Präsident des Sächsischen Handwerksta-

ges und Inhaber einer Bäckerei mit drei Filialen in der Lausitz. Im Inter-

view spricht er über Brot als Luxusartikel, über den Mythos vom ungesun-

den Weißbrot und darüber, warum die Auswahl des Belags wichtiger ist,

als die des Brotes.

Bäcker sind keine Sattmacher

mehr, sondern Luxusproduzenten

www.lausebande.de

Das vollständige Interview

online lesen auf:

Foto: Sächsischer Handwerkstag / Schmidt