Titelthema :: Seite 29
Titelthema :: Seite 28
Typische Gefahren für radelnde Kinder:
• Ein- und Ausfahrten
• Kreuzungen und Einmündungen
• Am Straßenrand parkende Autos,
deren Autotür sich unerwartet öffnet
• Der „tote Winkel“ von LKWs
• Abbiegende Autofahrer
Machen Sie Ihre Kinder auf solche Gefahren auf-
merksam und erklären Sie und zeigen Sie, wie sie
sich zu verhalten haben: An Ausfahrten langsam
heranfahren und sich wenn nötig durch Blickkon-
takt überzeugen, dass der Autofahrer einen gesehen
hat. Das gleiche gilt bei abbiegenden Autos an Kreu-
zungen. Es passiert immer wieder, dass diese beim
Abbiegen Fußgänger und Radfahrer übersehen. Die
Kinder sollten beim Fahren auf der Straße ausrei-
chend Abstand zum Bordstein halten, um Stürze zu
vermeiden. Sie sollten immer die Spur halten und
nicht an einer Parklücke oder Bushaltestelle Platz
für den Autoverkehr machen. An roten Ampeln
nicht neben rechtsabbiegenden LKW halten, son-
dern dahinter warten, bis diese abgebogen sind. Je
besser das Kind gesehen wird, desto sicherer, daher
gilt vor allem in der dunklen Jahreszeit: Funktio-
nierende Beleuchtung am Rad, Reflektoren am Rad
(Speichen, Pedale, ggf. Schutzblech), reflektierende
Kleidung.
Was die Kinder im Idealfall in frühen Jahren zu Hau-
se von den Eltern gelernt haben, müssen sie spätes-
tens zur Radfahrprüfung in der Grundschule drauf
haben. Diese durchlaufen die Kinder in der vierten
Klasse an ihrer Schule in Kooperation mit Polizei
und Verkehrsschule bzw. Verkehrswacht. Der in der
Regel mehrtägigen Schulung geht ein Theoriekurs
an der Schule voraus. Im praktischen Teil müssen
die Schüler in einem speziellen Verkehrsgarten bzw.
auf dem Schulhof und im Straßenverkehr praktische
Fertigkeiten mit dem Rad üben und nachweisen:
Spur halten, Kurven fahren, Bremsen beherrschen,
während der Fahrt Handzeichen zum Abbiegen ge-
ben, sich beim Fahren nach hinten umschauen. Sie
lernen richtiges Verhalten an Ampeln, Bushaltestel-
len und Bahnübergängen.
Im Schnitt fallen zwei bis drei Kinder pro Klasse
durch. Da die Radfahrprüfung rechtlich nicht bin-
dend ist, dürfen die Kinder dennoch Radfahren.
Die Prüfung gibt aber sowohl den Kindern selbst als
len die körperlichen und geistigen Voraussetzun-
gen, um sich eigenständig und sicher im Verkehr
zu bewegen. Ihr Blickfeld ist enger. Ihr Gehör ist
mit etwa sechs Jahren zwar gut ausgebildet, aber
sie haben Schwierigkeiten zu bestimmen, aus wel-
cher Richtung ein Geräusch kommt. Sie können
Entfernungen, Geschwindigkeiten und Bremswege
nicht richtig einschätzen. Sie können Bewegungen
schwer koordinieren und geraten leicht aus dem
Gleichgewicht. Sie können sich beim Fahren nicht
umschauen. Sie erkennen drohende Gefahren nicht
oder zu spät. Sie übersehen Ein- und Ausfahrten.
Sie lassen sich sehr leicht ablenken. Sie fahren un-
vermittelt auf die Fahrbahn. Einen Unfall wird man
daher nie ausschließen können, aber man kann
die Gefahr für Unfälle deutlich reduzieren. Durch
regelmäßiges Üben werden die Kinder zunehmend
besser im Verkehr klar kommen. Anfangs sollten sie
nur mit einem Erwachsenen unterwegs sein. Bei ge-
meinsamen Fahrten mit dem Kind wird empfohlen,
dass das Kind vorneweg fährt und die Eltern etwas
zur Straße hin versetzt hinterher. Im Notfall können
Eltern so eingreifen. Gleichzeitig lernt das Kind, ei-
gene Entscheidungen zu treffen.
Fahren Sie zunächst immer dieselben Strecken, bei-
spielsweise zur Kita oder zum Spielplatz. Weisen Sie
die Kinder auf bestimmte Gefahrenstellen auf dieser
Strecke hin und zeigen Sie, wie Sie sich dabei zu
verhalten haben. Seien Sie Vorbild. Wenn auch Sie
beim Überqueren der Straße absteigen, sich nach
Autos umschauen, das Handzeichen geben, dann
wird sich der Nachwuchs daran orientieren und das
Verhalten übernehmen. Einerseits sollten Kinder
nicht überbehütet werden, in der Hoffnung sie vor
Stürzen zu schützen, andererseits dürfen sie nicht
überfordert werden. Eltern können selbst am besten
die Fertigkeiten ihrer Kinder einschätzen. Wenn Sie
den Schulweg oft genug mit ihrem Kind gemeinsam
gefahren sind und den Eindruck haben, dass es die-
sen mitsamt seinen Tücken beherrscht, können Sie
das Kind allein fahren lassen. Sie können später
nochmal mitfahren, um sicher zu gehen, dass das
Kind aus der Routine heraus nicht zu unachtsam
geworden ist. Gibt es auf dem Schulweg besonders
heikle Stellen wie unübersichtliche Kreuzungen,
sollten diese gründlich besprochen und geübt wer-
den oder eine alternative Strecke gesucht werden.
auch Eltern und Erziehern Aufschluss darüber, wie
es um die motorischen Fähigkeiten der Jungen und
Mädchen bestellt ist. Da sah es schon mal besser
aus, wie die kürzlich vorgestellte Studie zum „Stand
der Radfahrausbildung an Schulen und motorische
Voraussetzungen bei Kindern“ der Bundesanstalt
für Straßenwesen (BASt) zeigt. Dazu wurden Eltern,
Lehrer, Polizisten und Verkehrstrainer befragt. Die
Ergebnisse der Studie:
• Die Verkehrsteilnahme von Kindern hat sich in
den letzten Jahren stark verändert, die eigenstän-
dige Mobilität hat abgenommen. Das Fahrrad
stellt zwar weiterhin ein wichtiges Verkehrsmittel
für Kinder dar, jedoch haben sie insbesondere
in den Städten immer weniger Gelegenheit, es
eigenständig zu nutzen. Stattdessen werden sie
heute häufiger im „Eltern-Taxi“ von A nach B
transportiert.
• Fast alle Kinder haben ein Kinderrad, jedes zwei-
te Kind hatte zuvor ein Laufrad. Dieses wirkt sich
erkennbar positiv auf die motorischen Fähigkei-
ten der Kinder aus. Zwei von drei Eltern üben das
Radfahren mit ihren Kindern, meist im Altern von
4 bis 8 Jahren.
»
55
Wo darf das Kind ohne Begleitung Radfahren?
Ständig %
Häufig %
Selten %
Nie %
abseits vom fließenden Verkehr
47,6
27,5
16,7
8,2
bei wenig Kontakt zum Verkehr
42,8
35,6
17,1
4,5
auf Radwegen
38,0
33,2
18,9
9,9
in Anliegerstraßen
32,1
32,9
23,1
12,0
in Wohnstraßen
28,7
33,7
23,8
13,8
auf Straßen mit normalem Verkehrsaufkommen
10,1
16,1
40,8
33,0
auf Hauptverkehrsstraßen
3,5
6,7
28,8
60,9
Tab. 4.3-22:
Wo darf das Kind ohne Begleitung Radfahren und wie häufig kommt das vor? (n = 1.791)
Bild 4.3-25:
Eltern/Kinderfragebogen
Einstufung des Kindes als:
überhaupt nicht %
ein wenig %
ziemlich %
sehr %
sportlich geschickt
1,6
16,4
42,2
39,8
nervös, zappelig
44,7
42,1
9,9
3,2
mag körperliche Anstrengung
4,4
23,1
40,5
32,1
unkonzentriert, leicht ablenkbar
31,5
48,9
13,3
6,3
Tab. 4.3-23:
Dispositionelle Besonderheiten des Kindes (n = 2.669)
zierteren Frage ging es um eine allgemeine
Einschätzung der Wesensart des Kindes
(Bild 4.325).
Der Anteil der von den Eltern als linkshändig be
schriebenen Kinder liegt in den vier Teilerhebun
gen im Mittel bei etwa 10 %, der Anteil der Brillen
träger liegt im Mittel bei etwa 17 % – zur Hälfte
wegen Kurzsichtigkeit. Altersoder geschlechtsbe
zogene Unterschiede gibt es nicht. Bei knapp über
etwa 13 % der Kinder problematische Werte. Halb
so viele Kinder weisen einen möglicherweise auf
Untergewichtigkeit hindeutenden Index mit einem
Prozentrang < 13 auf.
Ein sehr geringer Teil von etwa 1,6 % bis 3,1 % der
befragten Eltern sieht das eigene Kind als über
haupt nicht sportlich geschickt an. Eine Ablehnung
„körperlicher Anstrengung beim Spielen“ durch
das Kind wird zu 4,2 % bis 5,5 % gesehen.
Der zweite Faktor hängt weniger mit radfahrmo
torischen Schwächen zusammen. Hierzu gehö
ren:, Häufigere Konzentrationsschwächen nach
Einschätzung der Eltern, eine selbstkritische
Beurteilung der eigenen Reaktionsfertigkeit
beim Radfahren durch die Kinder selbst sowie
Kritik an der Handschrift durch die Lehrerin;
graphomotorische Schwächen lassen sich also
nicht im Kontext der fahrradmotorischen Verhal
tenssicherheit interpretieren.
Diese zweite psychomotorische Dimension
hängt zwar we i er mit motorischen Grund
lagen des Radfahrens zusamme , verweist
aber auf häufige Konflikte in Bezug auf die Ei
haltung von Regeln. Die Bereitschaft zum Helm
tragen ist vermindert, Unfallereignisse kommen
in d Biografie der Kinder häufiger vor
.
Die familiären Bildungsvoraussetzungen
haben ebenso wie das Geschlecht des Kindes
einen nachweisbaren Einfluss auf beide Di
mensionen; Mädchen haben eher radfahrmo
torische Schwächen, Jungen erweisen sich als
problematischer bei der zweiten Dimension.
Zu motorischen Schwächen beim Radfahren
tra en ebenso Übergewicht und längerfristige
körperliche Beeinträchtigungen und das Feh
motorische Fertigkeitsunterschiede auf einem
sehr breiten Spektrum von unterschiedlichen
Einflussbedingungen beruhen. Einzelne oder
wenige dominante Ursachen sind nicht aus
schlaggebend.
Eindeutig positive Zusammenhänge existieren
bei der Benutzung von Laufrädern sowie bei
der frühzeitigen und intensiven Nutzung von
Kinderfahrrädern. Eine Erfolg versprechende
unfallpräventive Wirkung haben Bemühungen
der Eltern im Zusammenwirken mit weiteren
pädagogisch ausgerichteten Lern und Anre
gungsangeboten für die Kinder in Kindergär
ten, Schulen und Vereinen.
(3)
Die Entwicklung radfahrmotorischer Fertig
keiten hängt deutlich vom Alter ab. Besonders
verdeutlicht wird dies in einer vertiefenden
Auswertung durch den Zusammenschluss von
Einschätzungen der Eltern, zu denen Ergeb
nisse aus drei altersbezogen differenzieren
den Untersuchungen von Kindern im Grund
schulalter verfügbar sind (NEUMANNOPITZ
2008, Repräsentativbefragung mit 8 vs 9 bis
10jährigen Kindern, schriftliche Befragungen
der 9 und 10jährigen Kinder zeitlich parallel
zur Radfahrausbildung, vgl. Tabelle 72).
Fahrradbeherrschung („sehr gut” oder „gut”)
Erhebungsquelle
NEUMANN
OPITZ (2008)
InternetRepräsentativbefragung
Eigene
schriftliche
Befunde
Aufgabe/Altersgruppe
1./2. Klasse
Alter a
b 8 Jahre
Alter
ab 9 Jahre
Alter
ab 10 Jahre
Überwiegend
4. Klasse
Geradeaus in einer Spur fahren
80 %
89 %
92 %
94 %
95 %
Fahren ohne zu Schwanken
81 %
87 %
90 %
91 %
Kurve fahren
77 %
84 %
88 %
91 %
91 %
Richtungswechsel mit dem Arm anzeigen
38 %
51 %
63 %
77 %
80 %
Geradeausfahren und sich umblicken
42 %
48 %
61 %
70 %
77 %
ffektiv brems n
73 %
65 %
75 %
83 %
88 %
Tab. 72:
Anteil der Kinder in unterschiedlichen Altersstufen, die nach den Beobachtungen der Eltern einzelne Aufgaben der Fahr
radbeherrschung „sehr gut“ oder „gut“ beherrschen, Vergleichsdaten aus drei Studien (Anm.: Item „ohne zu schwanken“
bei NEUMANNOPITZ (2008) nicht enthalten) (Stichprobenumfänge der drei Erhebungen: n = 988/n = 1.000/n = 878)
Quelle: BASt-Studie 2015