Interview :: Seite 56
Wenn Sie an Ihre eigene Kindheit zurückdenken,
welcher von den „Schreckis“ hätte am ehesten dem
jungen Henning Baum entsprochen?
Das weiß ich nicht. Ich war ein sehr neugieriges
Kind. Es mussten immer Dinge passieren, sonst
hätte ich mich gelangweilt. Es musste abenteuer-
lich zugehen. Genau danach habe ich gesucht, ge-
schnüffelt geradezu. Ich habe beständig Witterung
aufgenommen, wo es ein Abenteuer zu erleben gab.
Da musste immer eine Prise Gefahr dabei sein. Es
musste ein bisschen was auf dem Spiel stehen, man
musste etwas wagen. Das hat mich als Kind gereizt.
Ich habe versucht, mich in Situationen zu begeben,
in denen ich mich prüfen konnte. Bin ich schnell
genug, bin ich schlau genug, bin ich stark genug –
oder scheitere ich.
Dann passt im Film ja Einiges! Wäre Ihnen als Kind
ein Direktor Rex lieb gewesen?
Ja, absolut. Mit Si-
cherheit! Den hätte ich anerkannt und den hätte ich
als natürliche Autorität absolut akzeptiert.
Sie mussten als Jugendlicher selbst mal ins Internat
nach England. Wie viele Parallelen gibt’s in Ihren
Augen zu Burg Schreckenstein?
Ich musste tatsäch-
lich aufs Internat. Andere meinten zu diesem Zeit-
punkt, es wäre gut für mich, mich einem derart stark
reglementierten System unterzuordnen, wie es in
England der Fall war. Das ist dort übrigens um vie-
les stärker ausgeprägt als auf Burg Schreckenstein.
Im Vergleich zu den „Schreckies“ war ich damals
natürlich älter, aber das Internatsleben in England
ist auch deutlich brutaler. Da muss man sich durch-
setzen. Von den anderen Jungs wird ohne Rücksicht
geprüft, aus welchem Holz man geschnitzt ist. Wenn
man eine Lusche ist, dann steht man in der Futter-
kette natürlich ganz unten. Da kommt auch kein
Lehrer und sagt: Ach kommt, hört doch bitte auf,
den zu mobben. Das muss man schon selbst bewerk-
stelligen. Wenn man als Deutscher nach England
kommt, muss man sich umso mehr durchsetzen und
sich seinen Raum schaffen. Das ist aber auch etwas
ganz Natürliches, dass ein Fremder sich erst einmal
beweisen muss, wenn er von außen in eine Gruppe
hineinkommt. Insofern ist das eine kleine Parallele
zum Film. Unter Jungs herrscht eben nicht gerade
eine fröhliche Willkommenskultur.
Ist der Film aus Ihrer Sicht etwas für die ganze Fa-
milie oder eher für wilde Jungs bzw. Eltern, die mit
solchen umgehen müssen?
Burg Schreckenstein ist
ein toller Film für die ganze Familie geworden. Die
Eltern, die mit ihren Kindern ins Kino gehen, werden
sich auch amüsieren. Er enthält eine Art Komik und
eine Lebensklugheit, die auch die Erwachsenen an-
spricht. Ich denke, da werden alle ihren Spaß haben
Musste von Ihren drei Kindern auch schon eins aufs
Internat?
Ich halte es grundsätzlich für eine gute
Idee, Kinder im Verlauf ihrer Entwicklung auch mal
von zu Hause wegzuschicken. Das habe ich selbst
so erfahren. Ich halte es für richtig, dass Kinder ab
einem bestimmten Alter in die Welt gehen und mit
einer anderen Kultur und Sprache konfrontiert wer-
den. England ist da natürlich naheliegend, da man
sich als Kind schon relativ früh in Englisch verstän-
digen kann. Ich halte es für absolut förderungswür-
dig, Kindern die Welt auf diesem Weg auch mit ein
bisschen Stress und Abenteuer zu erschließen. Mei-
nes Erachtens wachsen alle Kinder an solchen Erfah-
rungen. Es gibt natürlich vom Naturell her Kinder,
die es schwieriger haben und für die das nicht ohne
weiteres so leicht geht. Da war ich sicher ein anderes
Kaliber. Ich habe es damals sehr genossen und ver-
sucht, alle sich bietenden Chancen zu nutzen. Gleich
am ersten Abend wurde ich wegen meiner Stimme
gefragt, ob ich im Chor mitsingen möchte. Fünfmal
die Woche habe ich dann gesungen. Ich habe in
dieser Zeit auch kein Deutsch gesprochen, ich habe
selbst andere deutsche Schüler im Internat gemie-
den, weil ich etwas Neues erleben wollte.
Als Vater fällt es einem bei den eigenen Kindern
manchmal doch schwerer, loszulassen und bei ih-
nen dieselben Jugendsünden zuzulassen. Wie ist das
bei Ihnen?
Mir scheint es, dass die Erziehung von
Kindern in den letzten 25 Jahren viel mehr zum The-
ma geworden ist. Das ist schon ein gesellschaftlicher
Diskurs, meines Erachtens aber eher ein Geplapper.
Unsere Eltern haben kein großes Gewese gemacht.
Es gab Dinge, die wurden von uns verlangt und die
hatten wir zu erfüllen. Wenn wir unseren Rahmen
erfüllt haben, haben sie uns in Ruhe gelassen. Wir
wurden weder ständig kontrolliert, noch mussten
wir ständig da sein. Wir haben ein sehr freies Leben
führen können. Warum das heute bei vielen nicht
mehr so ist, weiß ich nicht. Es scheint so, dass sich