Interview :: Seite 55
In Ihren Krimis standen Sie schon oft mit vermeint-
lichen Mördern und Schwerverbrechern vor der Ka-
mera, ist ein Dreh mit Kindern einfacher oder kom-
plizierter?
Es sind ja nur Kollegen, die diese Mörder
und Schwerverbrecher spielen. Der Dreh mit Kin-
dern war für mich eine neue Erfahrung, im Grunde
aber gar nicht so unterschiedlich. Ich habe von den
Kindern einfach die gleiche Professionalität wie von
den Erwachsenen auch erwartet. Wir haben vorher
besprochen, welchen Umgang wir am Set miteinan-
der pflegen wollen. Ich habe meine Erwartung zum
Ausdruck gebracht, dass sie konzentriert und wach-
sam sein sollen. Ich habe ihnen aber auch gesagt,
dass Fehler passieren und wir immer wieder proben,
improvisieren und gemeinsam nach dem richtigen
Weg suchen können. Es ist also immer ein sehr pro-
fessionelles Arbeiten auf Augenhöhe gewesen. Den
Kindern wurde nichts nachgetragen, sie wurden
aber auch nie mit einer Tafel Schokolade bestochen.
Wie bei einer guten Erziehung wussten die Jungs,
worauf sie sich einlassen und haben im Zweifelsfall
auch eine klare Ansage erhalten.
Also haben Sie am Set auch ein bisschen die Rolle des
Lehrers übernommen?
Ja natürlich. Die Pädagogik
meiner Filmfigur Rex kann ich auch persönlich nur
unterstützen. Die ist völlig in Ordnung! Der macht
den Kindern auch im Film immer eine klare Ansage
und gibt ihnen eine verlässliche Orientierung. Das hat
sich gut auf die Arbeit am Set übertragen.
Entspricht Ihre Rolle als Direktor Rex sehr der Buchfi-
gur?
Das kann ich gar nicht so genau sagen. Ich gehe
aber davon aus, dass dieses sehr gute Drehbuch auch
die Figur des Direktor Rex anhand der Romanvorlage
angelegt hat. Auf jeden Fall hat diese Figur eine sehr
gute Pädagogik! Er ist jemand, der den Jungs viel
zutraut und sie gern hat. Er schätzt ihre natürliche
Wildheit und fördert gleichzeitig ihre Kreativität, ih-
ren Freiheitswillen. Er fordert den Mut seiner „Schre-
ckies“ heraus, sanktioniert sie aber auch, wenn sie
wieder einmal übers Ziel hinausschießen.
Henning Baum zählt zu den bekanntesten
Schauspielern Deutschlands. Im Oktober
kommt „der letzte Bulle“ zum ersten Mal als tragen-
de Figur eines Familienfilms in die Kinos. In „Burg
Schreckenstein“ spielt er in der Rolle des Internats-
direktors Rex den verlässlichen Anker für ein Quin-
tett wilder Jungs. Dieser Film war Aufhänger für ein
Interview, das uns nachhaltig beeindruckt hat. Es
vereint eine Lebensklugheit und Ernsthaftigkeit mit
klaren Ansagen an das Leben, wie man sie heute
nur noch selten erfährt. Aus diesem Grund haben
wir auf das oft übliche Kürzen und Reduzieren ver-
zichtet und geben Henning Baum gern den Raum
und die Wertschätzung zurück, die er unserem Fa-
milienmagazin mit diesem besonderen Gespräch
erwiesen hat:
Eine Frage vorab: Ist es für Sie eigentlich Fluch oder
Segen, als „letzter Bulle“ meist mit genau dieser
Charakterrolle identifiziert zu werden?
Das ist kein
Fluch, das ist doch schön. Ich freu mich darüber,
wenn die Leute mit dieser Rolle etwas verbinden
können. Der „letzte Bulle“ ist eine tolle Rolle gewe-
sen, die viele kennen – und die auch ich nach wie
vor mag.
Kinder- und Familienfilme scheinen für Sie hinge-
gen die große Ausnahme zu sein. Was hat Sie ausge-
rechnet an Burg Schreckenstein so begeistert?
Das Drehbuch! Es war einfach eine gut geschriebene
Geschichte, die mich überzeugt hat. Ich konnte mich
sofort mit der Figur anfreunden, die ich spielen soll-
te. Das Ergebnis wirkt auf mich fast so, als wäre der
letzte Bulle in die Pädagogik gegangen.
Haben Sie in Ihrer Kindheit und Jugend auch die Bü-
cher gelesen, die dem Film zugrunde liegen?
Nein, aber ich kannte die Geschichten als Hörspiel.
Insofern konnte ich auch vorher schon etwas mit
den „Schreckies“ anfangen.
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