
Titelthema :: Seite 52
Brokkoli. Gerade diese drei letzten
Gemüsesorten sind viel zu empfind-
lich für langeWarmhalte-Zeiten. Die
werden dann unappetitlich und das
schmeckt den Kindern nicht. Ande-
res Gemüse wie Rotkohl ist wesent-
lich besser geeignet.
Also doch lieber weniger Gemüse?
In der Tat essen Kinder und Jugend-
liche Gemüse nur bedingt gern. Sehr
viel beliebter bei ihnen sind Salat-
bars. Wir haben festgestellt, dass
die Schüler, wenn sie sich die Bei-
lagen selbst zusammenstellen kön-
nen, nach einer Eingewöhnungszeit
vermehrt Salat und Rohkost wählen.
Stehen solche zur Verfügung, essen
die Kinder auch mehr Gemüse, nur
eben roh. Mundgerecht geschnitte-
nes Obst wird eher angenommen
als ganze Äpfel oder Orangen. Das
mag manchmal schwer umzuset-
zen sein, ist aber mit etwas Phan-
tasie und Tricks durchaus möglich.
Phantasie alleinwird nicht reichen…
Auf politischer Ebene soll das The-
ma stärker gebündelt werden, um
die vielen Player und deren Aktivi-
täten besser zu vernetzen. Dazuwer-
den in den kommenden Monaten
zwei Zentren auf Bundesebene eta-
bliert. Als ersten Schritt hat das Bun-
desministerium für Ernährung und
Landwirtschaft ein Nationales Qua-
litätszentrum für gesundes Essen in
Kita und Schule ins Leben gerufen.
Im kommenden Jahr soll das Bun-
Sie haben in zwei Studien
2015 und 2016 die Mittags-
verpflegung an Schulen
und Kitas ausgewertet. Demnach ist
die Mittagsverpflegung an Schulen
und vor alleman Kitas ausbaufähig.
Wo liegen die größten Hürden, wenn
es um ausgewogene, gesundheits-
fördernde Verpflegung geht? Ampo-
litischenWillen, am fehlenden Geld,
an der nötigenWertschätzung durch
Schulen, Kitas und Eltern?
Einfach
lässt sich die Frage nicht beantwor-
ten, denn es gibt hierfür immer meh-
rere Gründe. Zum einen, weil mit
sehr knappen Ressourcen gearbeitet
wird, die bereitgestellten Gelder rei-
chen vielfach nicht aus. Zum ande-
ren arbeiten imBereich der Mittags-
verpflegung an Kitas und Schulen
nur selten Profis, die auf die Versor-
gung von Kindern spezialisiert sind.
Drittens spielen die Rahmenbedin-
gungen der Mahlzeiten eine Rolle,
also die Frage: Mit wem essen die
Kinder, wieviel Zeit bleibt ihnen für
das Mittagessen, ist der Speisesaal
gemütlich und ansprechend einge-
richtet? Alle diese Aspekte gehören
damit hinein. Eine wesentliche Rol-
le speziell in Deutschland spielt die
fehlende Akzeptanz. Es heißt oft:
Wenn Essen gesundheitsfördernd
ist, dann schmeckt es nicht. Das hal-
te ich für vorgeschoben. Es lässt sich
sehr wohl gesund und schmackhaft
kochen. Aber es ist eben anspruchs-
voller, eine Gemüselasagne zuzube-
reiten als eine Bratwurst.
Warum solltenwir demThema über-
haupt so viel Bedeutung zumessen?
Viele Kinder bekommen abends zu
Hause eine warme Mahlzeit. Warum
ist es dennoch wichtig, was mittags
außer Haus auf den Teller kommt?
In der Tat essen immer mehr Kinder
abends warm, aber längst nicht die
Mehrheit. Unabhängig davon sollen
Kinder am Tag körperlich und geis-
tig fit sein. Das lässt sich am besten
dadurch sichern, indem man eine
entsprechende Mittagsmahlzeit an-
bietet. Das gleiche gilt für die Zwi-
schenmahlzeiten. Auch diese sind
ein großes Problem. Wenn nur ein
Süßigkeiten-Automat bereit steht,
können die Schüler sich kaum ge-
sund ernähren. Da muss noch viel
passieren.
Wollen sich die Kinder überhaupt
gesund ernähren? Ihre Studie zur
Schulverpflegung
ergab,
dass
Schüler vor allem Pizza, Pommes
und Pasta mögen.
Ja, Kohlenhyd-
rate gehen immer. Pommes sind in
der Warmverpflegung im Übrigen
gar nicht so beliebt, weil sie nicht
knusprig auf den Teller kommen.
Mit der richtigen Nudel- bzw. Teig-
sorte und mit Gemüse statt Gulasch
oder Salami sind Pizza und Pasta
sehr wohl mit den DGE-Standards
vereinbar. Aber dafür brauchen wir
mehr Phantasie, mehr Rezepte und
mehr Know-how – also mehr Quali-
fikation. Sehr oft gibt es Erbsen und
Möhren, Spinat, Blumenkohl oder
Interview mit Ernährungswissenschaftlerin Prof. Ulrike Arens-Azevêdo,
Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und Professorin an
der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. Im Gespräch
erklärt sie, was sich an der Mittagsversorgung an Schulen und Kitas ändern
sollte und wie sich Kinder mit einfachen Kniffen für Gemüse begeistern lassen.
Wir brauchen mehr Phantasie
und qualifizierte Köche