
Titelthema :: Seite 53
Ist das zu wenig?
Das ist fast schon
ein Dumping-Preis. Wenn wir eine
bestimmte Qualität wollen bezüglich
Lebensmittel und Personal, muss
das auch entsprechend kosten. Un-
ter 3,50 Euro geht das meiner Mei-
nung nach nicht. Aber selbst bei die-
sem Preis braucht es Subventionen
von staatlicher Seite, sei es durch
direkte finanzielle Zuschüsse, sei es
durch die Übernahme der Betriebs-
kosten oder bereit gestellte Räum-
lichkeiten und deren Ausstattung.
Das Beispiel Großbritannien zeigt,
dass mit politischem Willen und
der entsprechenden gesellschaftli-
chen und finanziellen Unterstützung
eine flächendeckende, vollwertige
Verpflegung an Schulenmöglich ist
– warum ist das in Deutschland bis-
her nicht umsetzbar?
Bei demPunkt
bin ich hin- und hergerissen. Einer-
seits ist Großbritannien tatsächlich
Vorzeigeland. Andererseits wird es
in Deutschland immer schwierig, so-
baldman versucht, etwas zur Pflicht
zu machen. In Großbritannien sind
flächendeckende Angebote leichter
umsetzbar, als imdeutschen Födera-
lismus. Beim Thema Schul- und Ki-
taessen gibt es zu viele Player, allein
tausende Träger, tausende Schulen
und Kitas und dann noch die Cate-
rer. Die Speisenversorgung an Schu-
len ist Ländersache, feste Standards
sind nur in Berlin und Saarland vor-
geschrieben. Bei den Kitas haben die
Träger freie Hand. Natürlich wäre
es wünschenswert, wenn der DGE-
Standard in allen Bundesländern
und damit allen Einrichtungen Vo-
raussetzung für die Ausschreibung
der Mittagsversorgung wäre. Das
sehe ich derzeit noch nicht, aber wir
wollen genau darauf hinarbeiten.
deszentrum für Ernährung an den
Start gehen, in demdie Ernährungs-
kommunikation und -beratung der
Bevölkerung sowie die Ernährungs-
bildung ganz allgemein im Vorder-
grund stehen. Wenn wir die Kinder
von Beginn an ans Thema Essen her-
anführenwollen, so sollte das hand-
lungsorientiert geschehen. Das fängt
damit an, dass man schon die Klei-
nenmit rühren, schneiden oder bra-
ten lässt – je nach Alter.
Also muss man schon bei den El-
tern ansetzen? So wie Bundeser-
nährungsminister Schmidt, der mit
der „Macht Dampf“-Kampagne ver-
sucht, die Eltern für eine bessere
Speisenversorgung in Verantwor-
tung zu nehmen?
In der Tat liegt die
Verantwortung für eine gesunde Er-
nährung der Kinder nicht allein bei
der Politik. Die „Macht Dampf“-Kam-
pagne hat im Grunde eine gute Idee
gehabt, nämlich dass Eltern sich
kümmern müssten. Das passiert ja
auch, es gibt überall engagierte El-
tern, die z.B. einen Anbieterwech-
sel erreichen. Aber ob man die bil-
dungsfernen Elternhäuser damit
erreicht, bei denen es gerade wich-
tig wäre, bezweifle ich. Da fehlen
uns die richtigen Instrumente. Wir
werden diese Eltern nicht mehr er-
ziehen, das ist illusorisch. Der sinn-
vollere Ansatz ist, die Situation in
den Kitas und Schulen zu verbes-
sern und so wenigstens die Kinder
zu erreichen. Meine Hoffnung ist,
dass die Kinder das erlernte, gesun-
de Essverhalten dann in die Eltern-
häuser tragen. Das erlebenwir auch
schon, wenn z.B. Eltern in der Kita
nach einem bestimmten Rezept fra-
gen. Da würde ich mir mehr Aus-
tausch wünschen – auch in die an-
dere Richtung. Es gibt beispielsweise
in türkischen Familien viele Speisen,
die nach unseren Standards als ge-
sund und vollwertig gelten, oft mit
Hülsenfrüchten. Von deren „Ess-
Kultur“ könnten wir uns durchaus
inspirieren lassen.
Was können die Schulen und Ki-
tas vor Ort leisten?
Das beginnt mit
der Vorbildfunktion: Muss ich über-
haupt dabei sein, wenn die Kinder
essen, wird oft von den Pädago-
gen gefragt. Ja, die Vorbildfunkti-
on ist ganz wichtig! Die Leitungen
können darüber hinaus für ein an-
sprechendes Ambiente sorgen, da-
für, dass der Speiseraum durch sei-
ne Gestaltung auch wirklich zum
Essen einlädt. Für die Qualität der
Speisen sind in erster Linie die Ca-
terer und Versorger verantwortlich,
da können die Eltern bei Bedarf et-
was Druck machen und ihre Wün-
sche äußern. Ein weiteres wichtiges
Ergebnis von Studien: Die Kinder
müssen sozusagen „angeschubst“
werden. Dieses Anstoßen, „nud-
ging“ genannt, heißt konkret: Durch
kleine Veränderungen lässt sich das
Verhalten der Kinder steuern. Zwei
Beispiele: Werden Äpfel und Oran-
gen in einer Obstschale statt in ei-
ner Metallschüssel angeboten, grei-
fen die Schüler deutlich öfter zu.
Muss das Dessert bar von den Schü-
lern bezahlt werden, sinkt der Kon-
sumdeutlich. Es ist auch ganz wich-
tig, die Kinder aktiv zu beteiligen, da
gibt es viele Möglichkeiten: Sie kön-
nen den Speiseraum mitgestalten,
sie können als Testesser fungieren,
sie können eigene Rezepte einbrin-
gen. Um all das umzusetzen, müs-
sen Erzieher, Lehrer, Schulleiter und
Caterer diese Möglichkeiten kennen.
Daher sind Fortbildung und Qualifi-
kation dieser Personengruppen ein
erster wichtiger Schritt.
In Brandenburg kostet ein Schul-
Mittagsessen im Schnitt 2,57 Euro.
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